taz.de -- Die Wahrheit: Die Kirche des Lego

Im Spielzimmer sind sämtliche „Star Wars“-Steine verbaut, als ein Anderthalbjähriger hinzukommt und zu marodieren beginnt …
Bild: Möge die Macht mit ihr sein. Carrie Fisher als Leia Organa 1977

Kinder, Kinder, was für ein Sonntag! Nichtsahnend war ich mit Besuch in Form eines Anderthalbjährigen vorstellig geworden beim siebenjährigen Nachbarsjungen, der mit stolz geschwellter Kükenbrust die circa 3.256 Steine seines „Star Wars“-Lego im Kinderzimmer verbaut hatte und jetzt auf einer Weltall-Spielmatte zur Präsentation schritt.

Lars-Lieven schnurrte die Namen der Bauwerke nur so herunter. Sein Gast Aurélien, der gerade noch selig vor sich hingelallt hatte, denn er verständigte sich bis zu diesem Zeitpunkt fast ausschließlich mit den Worten „Mama“ und „Papa“, Aurélien also verstummte andächtig und im Stehen. Ich auch.

„Hier“, Lars-Lieven rief ein Produkt nach dem anderen auf und hielt es hoch, als würde er eine haptische Warenbestandsaufnahme vornehmen, „hier Obi-Wan’s Jedi Interceptor, Resistance Troop Transporter, Hoth Attack, Kanans Speederbike, Droid Escape Pod, scheiße, wo ist Kylo Ren’s Command Shuttle?, da Captain Phasma!“ Aurélien kippte um, kopfüber in den First Order Snowspeeder, auf dass die Legosteine nur so auseinanderstiebten.

Lars-Lieven gab einen infernalischen Protestton von sich. Sein Vater schaute kurz zur Tür hinein und schloss sie augenblicklich wieder, ohne uns zur Hilfe zu kommen. Ich stellte mich, Kanans Speederbike sachte mit dem Fuß zur Seite schiebend, schützend vor Aurélien, der mittlerweile seinen weißblonden Haarflaum tief in den nun jeder Ordnung abhold gegangenen First Order Snowspeeder vergraben hatte. Dazu wiederholte er laut und deutlich und immer wieder „Star Wars, Star Wars, Star Wars!“ Anscheinend seine dritten und vierten Worte nach „Mama“ und „Papa“.

In diesem Moment hatte ich eine Vision. Ich empfing aus himmlischen Sphären ein neues, nach der „Star Wars“-Serie noch profitableres, ja seligmachendes Geschäftsmodell für die dänische Firma Lego. Die Kirche des Lego! Für alle Religionen und für Atheisten ebenso! Für Kinder und für Erwachsene, für vom Glauben Abgefallene und wiederverheiratete Priester, für schwule Muslime und die Zeugen Jehovas, für Zen-Buddhisten und als Trostpflaster auch für die verhasste katholische Reli-Lehrerin meiner Grundschulzeit, die alle katholischen Kinder dissten und lieber freiwillig zum evangelischen Reli-Unterricht pilgerten.

Die Kirche des Lego! Ein sakraler Universalbau, der alle Religionen und Weltanschauungen in einem Fundament aus Duplosteinen vereint. Der Innenausbau geschieht dann je nach Gusto und Klingelbeutel und mithilfe des heilig-unheiligen Inhalts mächtiger Legostein-Eimer. Spielerisch werden so sämtliche Religionsdebatten unserer Tage aufgenommen und kreativ, Stein um Stein, verarbeitet. Auch die allerletzten.

Ich trug den immer noch rhythmisch skandierenden Aurélien aus der „Star Wars“-Zone und machte mich sofort an die ersten Konstruktionszeichnungen. Wäre doch gelacht, wenn das nicht hinhauen würde mit dem wirtschaftlichen Erfolg! Love and Peace and Lego!

26 Apr 2016

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Wolff

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