taz.de -- Kommentar Nachfolge UN-Spitze: Drei Fortschritte bei der UNO

Die Generalversammlung in New York beginnt mit der Anhörung der KandidatInnen. Bei dem Ablauf des Verfahrens tut sich Erfreuliches.
Bild: Für ihn wird eine Nachfolge gesucht: Ban Ki-moon

Bei den Vereinten Nationen gibt es drei Fortschritte: mehr Demokratie, mehr Transparenz und mehr Geschlechtergerechtigkeit. Die Generalversammlung in New York beginnt heute mit einer dreitägigen Anhörung aller KandidatInnen für die Nachfolge von Generalsekretär Ban Ki-moon, der zum Jahresende nach zwei fünfjährigen Amtsperioden seinen Abschied nimmt.

Die acht BewerberInnen, die im Verlauf der letzten zwölf Monate aus ihren Herkunftsländern vorgeschlagen wurden, müssen sich dabei einer zweitstündigen Befragung durch die BotschafterInnen der 193 UNO-Mitgliedsstaaten stellen. Ihre ausführlichen Biographien stehen bereits seit Anfang des Jahres auf der UNO-Webseite. Und die meisten von ihnen führen einen offenen Wahlkampf.

Das ist ein erfreulicher Zuwachs an Demokratisierung und Transparenz. Denn in den letzten 70 Jahren seit Gründung der Weltorganisation wurde ihr höchster Repräsentant in einem instransparenten, der Papstwahl ähnlichen Verfahren im Sicherheitsrat bestimmt. Den Ausschlag gaben dabei in erster Linie die Interessen der fünf ständigen und vetoberechtigten Ratsmitglieder, einen ihnen möglichst genehmen Generalsekretär auszuwählen.

Auch weiterhin wird die letzte Entscheidung über die/den künftige/n AmtsinhaberIn, wie in der UNO-Charta festgelegt, vom Sicherheitsrat getroffen. Doch die stärkere Beteiligung der Generalversammlung und die größere Transparenz des Verfahrens wird es den ständigen Ratsmitgliedern zumindest erheblich schwerer machen, die undemokratische Kungelei der letzten 70 Jahre fortzusetzen.

Vage Hoffnung auf Helen Clark

Der dritte Fortschritt: das neue Auswahlverfahren ermutigte erstmals auch Frauen, sich um den höchsten UNO-Posten zu bewerben. Unter den acht KandidatInnen sind vier Frauen. Allerdings ist trotz dieser Fortschritte zu befürchten, daß nicht die qualifizierteste unter ihnen das Rennen machen wird.

Das wäre [1][die frühere neuseeländische Premierministerin Helen Clark]. Als derzeitige Direktorin des UNO-Entwicklungsprogrogramms (UNDP) verfügt sie über die größte internationale Erfahrung. Ihre Umweltpolitik als Premierministerin und ihre Korrektur der zügellosen Privatisierung und Deregulierung in ihrem Heimatland entspricht der Position einer großen Mehrheit der Mitgliedsstaaten. Zudem erfüllt Clark am ehesten das Anforderungsprofil, das in der UNO engagierte Nichtregierungsorganisationen aus dem Bereichen Umwelt-, Flüchtlings-, Menschenrechts-und Abrüstungspolitik für den/die künftigen GeneralsekretärIn formuliert haben.

Doch gegen eine Wahl Clarks steht die – ungeschriebene, aber sehr wirkmächtige – UNO-Regel, wonach alle Weltregionen bei der Besetzung des Postens einmal zum Zuge kommen müssen. Nach drei Westeuropäern, je zwei Afrikanern und Asiaten sowie einem Lateinamerikaner sei nun endlich einmal ein/e OsteuropäerIn an der Reihe. Sechs der acht BewerberInnen stammen aus Osteuropa und berufen sich bei ihrer Kandidatur auf diese Regel. Und die Vetomacht Russland hat bereits angedeutet, daß sie die Regel bei der Entscheidung im Sicherheitsrat durchsetzen will.

Unter diesen Bedingungen wird wahrscheinlich die zweitbeste Kandidatin zur neuen UNO-Generalsekretärin gekürt: die Bulgarin Irina Bokova, die sich bereits im Herbst 2009 bei ihrer Wahl zur Generalsekretärin der UNESCO gegen sieben Bewerber durchsetzte. Auch das wäre ein großer Fortschritt für die UNO.

12 Apr 2016

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Andreas Zumach

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