taz.de -- Kommentar Europäischer Datenschutz: Ein wenig sicherer

Die Richtung muss stimmen: Datenschutz sollte als Innovationsanreiz und nicht als Bremsvorrichtung gesehen werden.
Bild: Immer mehr Daten: Facebook-Chef Mark Zuckerberg stellte am Dienstag in San Francisco einen neuen Kurzmitteilungsdienst vor

Videoüberwachung und automatisierte Gesichtserkennung überall. Daten, die auf ewig gespeichert werden. Algorithmen, die aus Gesundheitsdaten den Beitrag für die Krankenversicherung errechnen. Wie würde eine Welt ohne Datenschutz aussehen? So? Oder noch viel schlimmer?

Das Recht darauf, unbeobachtet zu sein, gilt häufig als Bremsvorrichtung. Bei Strafverfolgern, in Wirtschaft und Politik. Bis hin zur Bundeskanzlerin, die kürzlich verlautbaren ließ, der Datenschutz dürfe auf keinen Fall zu Lasten von Big Data gehen – gegen die Interessen der Wirtschaft also.

Datenschutz ist als vermeintliches Verhinderungsinstrument so verinnerlicht, dass es zur sich selbst erfüllenden Prophezeiung geworden ist. Denn: Wer das Recht auf Privatsphäre als bremsend versteht, wird damit auch bremsen.

Und das, weil es keinen Anreiz gibt, Datenschutz als das zu betrachten, was er eigentlich sein kann: ein Innovationstreiber. Ein Impulsgeber dafür, nach neuen Lösungen zu suchen, die jenseits des einfachsten Weges liegen.

Soziales Netzwerk mit Klarnamen? Das kann jeder. Aber wie sieht es aus, wenn die Nutzer unerkannt unterwegs sein wollen – ist dann trotzdem eine Vernetzung machbar? Ein Kurznachrichtendienst, der die Adressbücher ausliest – einfach. Aber gibt es auch einen Weg, der das vermeidet und es trotzdem erlaubt, Freunde und Bekannte zu finden?

Doch solche Ansätze entstehen nur, wenn das Recht auf Privatsphäre auch durchgesetzt wird. Denn natürlich ist es billiger, sich um nichts zu kümmern – das gilt in Sachen Umweltschutz oder Arbeitsbedingungen genauso. Also braucht es nicht nur Gesetzesvorhaben, sondern auch Sanktionen.

Die Datenschutzgrundverordnung, die das EU-Parlament am Donnerstag verabschiedet hat, ist zumindest ein erster Schritt dahin, das zu ändern. Jetzt kommt es darauf an, nicht auf halbem Wege stehen zu bleiben.

15 Apr 2016

AUTOREN

Svenja Bergt

TAGS

Datenschutz
Europäisches Parlament
Internet
Videoüberwachung
Instagram
Datenschutz
Apple
Datenschutzabkommen
Datenschutz
Amazon

ARTIKEL ZUM THEMA

Depressionsdiagnose per Profilbild: Rorschachtest mit Instagram

Ein Algorithmus will anhand von Instagram-Fotos erkennen können, ob Menschen depressiv sind. Wieder so eine Big-Data-Phantasie!

Grundverordnung zum Datenschutz: Kredit nur mit guter Adresse

Verbraucherschützer üben Kritik an der Verordnung: Unternehmen erhalten ein Druckmittel gegen Kunden, die Auskunftspflicht ist nicht gesichert.

Kommentar Apple und das FBI: Verlierer überall

Beim Konflikt um die Entschlüsselung eines iPhones geht es vor allem um Selbstbestimmung. Am Ende sind die Nutzer die größten Verlierer.

Neue Grundverordnung zum Datenschutz: Die Jagd nach dem Datenschatz

Nach langen Verhandlungen einigt sich die EU auf neue Datenschutzregeln. Doch vorbei ist die Lobbyschlacht noch lange nicht.

Entwurf zum EU-Datenschutzgesetz: Ein bisschen geschützter

Ein Recht auf Vergessenwerden und eine Altersgrenze für soziale Netzwerke – das neue Gesetz soll endlich moderne Standards berücksichtigen.

Verleihung der BigBrotherAwards 2015: Ausgezeichnete Überwachung

Vom Geheimdienst bis zur Kinderpuppe: Digitalcourage e.V. zeichnet erneut die schlimmsten Datenschutzverstöße aus. And the winners are...