taz.de -- Kolumne American Pie: Baseball-Diplomatie auf Kuba
Wie US-Präsident Barack Obama auf Kuba mit Hilfe des Baseballs das Verhältnis der beiden Länder entspannen will.
Geschichte soll geschrieben werden, sowohl sportlich als auch politisch im Estandio Latinoamericano von Havanna. Wenn am Mittwoch deutscher Zeit die Tampa Bay Rays aus der Major League Baseball im Rahmen des Kuba-Besuchs von US-Präsident Barack Obama im 55.000-Zuschauer-Stadion gegen die Nationalmannschaft des sozialistischen Staates antreten, soll der Sport einen.
Dafür hat sich Obama mit Rachel und Sharon Robinson, Witwe und Tochter von Jackie Robinson, der in den 1940ern und 50ern der große Star des Sports war, zum Symbol der Rassenintegration wurde und als einer der besten Spieler aller Zeiten gilt, prominente Begleitung organisiert. „Amerikaner und Kubaner teilen die Liebe für den Baseball, und dieses Spiel soll sowohl an die Verbindung unserer Länder als auch an die Fortschritte erinnern, die wir machen können“, erklärte das Weiße Haus zuvor in blumigen Worten.
Tatsächlich ist der Sport auf der Elf-Millionen-Insel fest verankert: Ende des 19. Jahrhunderts als Befreiung von den Stierkämpfen und anderen „sportlichen“ Gewohnheiten der spanischen Kolonialherren angenommen, wurde nach der Revolution 1959 ein Amateursystem eingeführt, mit der Landesauswahl an der Spitze. „Wir freuen uns darauf, die Geschichte des Baseballs in Kuba kennenzulernen“, sagt Rob Manfred, der Chef der nordamerikanischen Major League Baseball (MLB).
Baseball als Mittel der Völkerverständigung – es ist indes kein neuer Ansatz in der komplizierten Beziehung beider Staaten. Schon vor knapp 17 Jahren gab es ein Gastspiel der MLB-Stars. Am 28. März 1999 – der damalige US-Präsident Bill Clinton hatte gerade die Reisebedingungen gelockert – spielten die Baltimore Orioles in Havanna. Es war das erste Spiel eines US-Teams auf der Insel seit 40 Jahren, einige Wochen später gab es sogar ein Rückspiel in Baltimore.
Seit Jahren schon profitiert die mächtige US-Liga von exilkubanischen Spielern, derzeit zählen Yasiel Puig von den L.A. Dodgers oder New-York-Mets-Akteur Yoenis Cespedes zu den großen Stars – die gemeinsame Geschichte der USA und Kuba geht noch weiter zurück. Bereits in den 1860ern gab es den ersten kubanischen Spieler in einer großen US-Liga: Esteban Bellan umging bei den New Yorker Troy Haymakers das Baseball-Verbot, das die damals noch herrschende spanische Regierung ausgesprochen hatte. Die „Havana Sugar Kings“ waren im frühen 20. Jahrhundert sogar ein Farmteam der Cincinnati Reds, ehe Fidel Castro 1960 alle US-amerikanischen Unternehmen im Land konfiszierte.
Flucht im fünften Versuch gelungen
Derzeit spielen 31 Kubaner in der MLB, die sich aus der Heimat oft unter abenteuerlichen Umständen absetzen konnten. Puigs Geschichte klingt wie aus einem Hollywood-Streifen: Erst im fünften Versuch glückte die Flucht des 25-Jährigen aus der Heimat nach Mexiko, mit kräftiger Mithilfe eines Drogenkartells. Erst vor wenigen Monaten flüchteten mit Yulieski Gourriel und Lourdes Gourriel Jr. zwei hoch talentierte Spieler am Rande einer Auswärtspartie der Nationalmannschaft in der nahen Dominikanischen Republik.
Aktuell ist tatsächlich Raum für Verhandlungen zwischen der mächtigen Baseball-Liga und der kubanischen Regierung. Künftig soll die Verpflichtung von Spielern des Inselstaates möglich sein, ohne dass diese oft gefährliche Odysseen auf sich nehmen müssen. Das Spiel im Estadio Latinoamericano soll Geschichte schreiben – sportlich und politisch.
22 Mar 2016
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