taz.de -- Inhaftierte türkische Journalisten: Hoffnung auf Freilassung

Die Verhaftung von zwei regierungskritischen türkischen Journalisten sorgte international für Kritik. Nun hat das Verfassungsgericht Anträgen der beiden stattgegeben.
Bild: Tausende Menschen gingen im November nach der Verhaftung auf die Straße.

Istanbul dpa | Nach drei Monaten in Untersuchungshaft können zwei regierungskritische Journalisten der türkischen Zeitung Cumhuriyet auf ihre Freilassung hoffen: Chefredakteur Can Dündar und Hauptstadtkorrespondent Erdem Gül errangen am Donnerstag einen wichtigen Erfolg vor dem Verfassungsgericht in Ankara.

Das Gericht entschied, dass unter anderem das Recht auf Meinungsfreiheit und die Persönlichkeitsrechte von Dündar und Gül verletzt wurden. Deren Anwälte beantragten sofort nach dem Beschluss die Freilassung ihrer Mandanten, wie die Nachrichtenagentur DHA meldete.

Das Verfahren gegen Dündar und Gül wird allerdings fortgesetzt. Der Prozess soll am 25. März beginnen. Beiden droht lebenslange Haft. Ihnen werden unter anderem Unterstützung einer terroristischen Vereinigung, die Veröffentlichung geheimer Informationen und Spionage vorgeworfen. Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan persönlich hatte Anzeige gegen die beiden Journalisten erstattet.

Hintergrund ist ein von Dündar und Gül verfasster Bericht über angebliche Waffenlieferungen der Türkei an Extremisten in Syrien. Cumhuriyet hatte im vergangenen Sommer Fotos veröffentlicht, die eine solche Lieferung Anfang 2014 belegen sollen. Die Behörden hatten eine Nachrichtensperre über den Fall verhängt. Erdogan hatte Dündar gedroht, dieser werde einen „hohen Preis“ bezahlen.

Das Verfassungsgericht gab mit seiner Entscheidung Anträgen von Dündar und Gül statt. Cumhuriyet-Redakteur Kemal Göktas sagte der Deutschen Presse-Agentur, seine beiden Kollegen müssten nun umgehend aus der Haft entlassen werden. „Das örtliche Gericht muss den Entschluss des Verfassungsgerichts umsetzen und sie im Laufe der kommenden Stunden oder spätestens morgen früh freilassen.“

Platz 149 von 180

Das zuständige Gericht - die 14. Strafkammer in Istanbul - teilte nach Angaben von DHA am Donnerstagabend mit, man warte auf den Eingang des Bescheids des Verfassungsgerichts. Erst dann werde über die Freilassung aus der Untersuchungshaft in Istanbul entschieden.

Die Verhaftung Dündars und Güls Ende November hatte international für Kritik gesorgt. Auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen liegt die Türkei auf Platz 149 von 180 Staaten. Besonders einheimische Journalisten geraten immer wieder unter Druck. Die politische Führung der Türkei weist regelmäßig Vorwürfe zurück, wonach sie die Pressefreiheit einschränken würde.

25 Feb 2016

TAGS

Schwerpunkt Türkei
Schwerpunkt Pressefreiheit
Journalist
Cumhuriyet
Schwerpunkt Türkei
Schwerpunkt Pressefreiheit
Schwerpunkt Türkei
Schwerpunkt Türkei
Schwerpunkt Türkei
Recep Tayyip Erdoğan
Schwerpunkt Türkei

ARTIKEL ZUM THEMA

Repression in der Türkei: Friedenspetition = Terrorpropaganda

Drei Akademiker sind wegen „terroristischer Propaganda“ festgenommen worden. Sie hatten eine Petition gegen Militärgewalt unterzeichnet.

Freigelassene „Cumhuriyet“-Reporter: Erdogan will Haft für Journalisten

Die türkischen Journalisten Dündar und Gül wurden zwar freigelassen. Doch Präsident Erdogan fordert die erneute Inhaftierung der beiden.

Regierungskritische türkische Journalisten: Dündar und Gül sind vorerst frei

Zwar konnten sie das Gefängnis verlassen, das Verfahren gegen sie geht aber weiter. Den beiden türkischen Journalisten droht lebenslange Haft.

Pressefreiheit in der Türkei: Fragen unerwünscht

Deniz Yücel, Ex-tazler und „Welt“-Korrespondent, steht in der Türkei unter Beschuss. Er hatte Merkel zu der Lage der Menschenrechte im Land befragt.

Pressefreiheit in der Türkei: In Istanbul unerwünscht

Die Türkei wirft eine norwegische Korrespondentin raus. Der Journalistin wurde das Pressevisum ohne Begründung verweigert.

Kritische Journalisten in der Türkei: Justiz will lebenslange Haft

Türkische Staatsanwälte wollen zwei Erdogan-kritische Journalisten für immer hinter Gittern sehen. Für sie sind Can Dündar und Erdem Gül Spione und Terrorhelfer.

Wegen „Beleidigung“ Erdogans: Chefredakteur droht Prozess

Er soll sich in einem Artikel spöttisch über eine Rede des türkischen Präsidenten geäußert haben. Nun erwartet den „Hürriyet“-Chef womöglich ein Verfahren.