taz.de -- Kommentar Russlands Rolle in Syrien: Das Ende der bisherigen Grenzen

Russland will in Syrien offenbar einen Rumpfstaat für das Assad-Regime schaffen. Doch dann wird es auch künftig keine Stabilität geben.
Bild: Was wollen sie erreichen? Russische Kampfflieger in Syrien

Die Kritik an den eskalierten Angriffen russischer Luftstreitkräfte gegen syrische Rebellengruppen im Großraum Aleppo ist wegen der gravierenden Folgen für die Zivilbevölkerung allein aus menschenrechtlicher Sicht völlig berechtigt und notwendig.

Unglaubwürdig ist diese Kritik allerdings aus dem Mund der Regierungen in Riad und Ankara, die ihre Kriege gegen Schiiten im Jemen und Kurden in der Südosttürkei ebenfalls ohne jede Rücksicht auf die Bevölkerung führen.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier war daher schlecht beraten, als er die Vorwürfe an Moskau zuerst ausgerechnet auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem saudischen Amtskollegen in Riad äußerte.

Die Eskalation der russischen Luftangriffe just zu Beginn der auch deshalb schnell gescheiterten Verhandlungsversuche in Genf haben den syrischen Regierungstruppen nicht nur im nordsyrischen Aleppo strategisch bedeutsame Geländegewinne ermöglicht, sondern auch bei der noch von Rebellen gehaltenen Stadt Dara in der südwestlichen Grenzregion zum Libanon.

Das nährt den Verdacht, dass Moskau nicht (mehr) auf den Erhalt Syriens in seinen bisherigen Grenzen setzt, sondern auf die Schaffung eines Rumpfstaats im Westen. Dazu würden mit Aleppo, Idlib, Mama, Homs, Damaskus und Dara fast alle größeren Städte des Landes gehören. Zwecks Sicherung dieses Rumpfstaats würden starke militärische Kräfte Russlands auf den Marine- und Luftwaffenstützpunkten in Tartus und bei Latakia stationiert.

Die übrigen drei Viertel des syrischen Territoriums blieben dann dem „Islamischen Staat“, dem Al-Qaida-Ableger Al-Nusra-Front und anderen zum Teil bislang von Saudi-Arabien, Katar und der Türkei gesponserten islamistischen Rebellen- und Terrorgruppen überlassen. Nicht auszuschließen, dass sich die USA und ihre westlichen Verbündeten bei einem weiteren Scheitern des Verhandlungsansatzes eines Tages auf dieses Szenario einlassen.

Doch mit einem solchen Szenario ließe sich keine „Stabilität“ in der Region schaffen. Siehe die gescheiterten Besatzungen der beiden Militärweltmächte Sowjetunion und USA in Afghanistan und im Irak. Zudem würden der IS und die islamistisch-salafistischen Rebellengruppen sich kaum an die Teilungsgrenzen halten.

7 Feb 2016

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Andreas Zumach

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