taz.de -- Terroranschlag in Nigeria: Politik der verbrannten Kinder

Beim schwersten mutmaßlichen Boko-Haram-Angriff seit Langem kommen 85 Menschen zu Tode. Die Islamisten rächen sich an lokalen Bürgerwehren.
Bild: Schutt und Asche: Das Dorf Dalori nach dem Boko-Haram-Angriff.

COTONOU taz | Es dürfte eins der besonders schrecklichen Attentate der Terrormiliz Boko Haram gewesen sein. Im Dorf Dalori, keine zehn Kilometer von der Provinzhauptstadt Maiduguri im Nordosten Nigerias entfernt, sind verschiedenen Schätzungen zufolge zwischen 50 und mehr als 85 Menschen ums Leben gekommen, als Bewaffnete am Wochenende den Ort überfielen und anzündeten.

Fotos im Internet zeigen, dass bei dem Angriff zahlreiche Häuser, Autos und Vorratskammern niedergebrannt worden sind. In einigen Gebäuden sollen sich Augenzeugen zufolge noch Kinder aufgehalten haben. Sie verbrannten lebendig. Weitere Einwohner wurden verletzt, anderen gelang die Flucht.

Die Terrorgruppe Boko Haram, die sich vor einem Jahr dem „Islamischen Staat“ angeschlossen hatte, bekannte sich zwar noch nicht zu dem Anschlag. Doch vieles deutet darauf hin. Denn einigen nigerianischen Medien zufolge soll es sich um einen Rachefeldzug gegen Mitglieder der sogenannten Zivilen Joint Task Force gehandelt haben.

Die CJTF sind lokale Bürgerwehren, die die Antiterroreinheiten der Armee unterstützten – beispielsweise geben sie Tipps, wo sich mögliche Terroristen verstecken. Einen rechtlichen Status haben sie nicht. Auch Beschuldigungen gegen sie werden längst nicht immer eingehend überprüft.

Präsident Buhari war eigentlich siegesgewiss

Ein weiterer Angriff in Dalori soll nach Informationen der Armee verhindert worden sein. Offenbar hätten die Terroristen auch in einer Unterkunft für Binnenflüchtlinge zuschlagen wollen, was ihnen aber nicht gelang.

Diese Taktik nutzen sie seit rund einem Jahr. Gelingen solche Anschläge, dann ist die Opferzahl in der Regel sehr hoch. Darüber hinaus wird zusätzlich Misstrauen gestreut. Viele Gastkommunen haben jetzt Angst, dass sich unter Flüchtlinge auch Terroristen mischen.

Dabei hatte Nigerias Präsident Muhammadu Buhari (73) noch vor knapp drei Wochen gegenüber UN-Generalsekretär Ban Ki Moon geäußert, wie gut der Kampf gegen Boko Haram laufe und welche großen Fortschritte Nigeria seit seiner Amtseinführung Ende Mai 2015 mache. Die Terroristen würden sich auf dem Rückzug befinden und keine zusammenhängende Region mehr besetzt halten. Kurz zuvor hatte Buhari außerdem gesagt, Boko Haram sei bereits „technisch besiegt“.

Seit dieser Äußerung nehmen die Angriffe wieder zu. Schon in der vergangenen Woche hatte Boko Haram mehrfach zugeschlagen. An verschiedenen Orten waren mehr als 20 Menschen ums Leben gekommen.

1 Feb 2016

AUTOREN

Katrin Gänsler

TAGS

Nigeria
Boko Haram
Boko Haram
Nigeria
Nigeria
Nigeria
Joachim Gauck
Boko Haram
Nigeria

ARTIKEL ZUM THEMA

97 Boko-Haram-Geiseln befreit: Hinweise aus Chibok

Nigerias Militär gelingt eine große Befreiungsaktion, bei der 35 Terroristen der Boko-Haram-Miliz sterben. Mehr als 200 Mädchen werden aber noch vermisst.

Terrorismus in Nigeria: Im Dorf der verlorenen Mädchen

Vor zwei Jahren haben Kämpfer der Terrormiliz Boko Haram in Chibok knapp 300 Schülerinnen entführt. Von den meisten fehlt bis heute jede Spur.

Selbstmordanschlag in Nigeria: Mehr als 20 Tote

Zwei Frauen sprengen sich während des Morgengebets in der nordostnigerianischen Stadt Maiduguri in die Luft. Möglicherweise steckt Boko Haram hinter dem Attentat.

Anti-Terror-Offensive aus Kamerun: 162 Boko-Haram-Kämpfer getötet

Die kamerunische Armee erobert die nigerianische Stadt Goshi zurück. Rund 100 Menschen werden befreit. Ihnen droht Diskriminierung und Verfolgung.

Bundespräsident in Nigeria: Gauck gegen den Terror

Bei den Opfern von Boko Haram in Nigeria kann der deutsche Staatschef wenig tun außer zuhören. Am Freitag geht’s weiter nach Mali.

Massaker in Nigeria: Boko Haram tötet 86 Menschen

Ungeschützt vom Militär war ein Dorf über Stunden Boko Haram ausgesetzt. Ein Überlebender berichtet von brennenden Häusern und schreienden Kindern.

Angriffe und Attentate in Nigeria: Boko Haram tötet 15 Menschen

Die islamistische Terrorgruppe hat die Stadt Maiduguri mit Panzerfäusten angegriffen. Zwei Selbstmordattentäterinnen sprengten sich in die Luft.