taz.de -- Flüchtlingspolitik in Deutschland: Merkel befristet ihr Willkommen

Die Kanzlerin erwartet eine Rückkehr von Flüchtlingen, wenn der Asylgrund entfällt. Tatsächlich ist eine Aberkennung noch nach Jahren möglich.
Bild: Bei der Landesvertreterversammlung in Neubrandenburg: Angela Merkel

Karlsruhe taz | Angela Merkel hat die deutsche Willkommenskultur befristet. Wenn die Fluchtursachen entfallen, sollen auch anerkannte Flüchtlinge aus Syrien oder dem Irak in ihre Heimat zurückkehren. Das sagte Merkel auf dem Landesparteitag der CDU in Mecklenburg-Vorpommern.

„Wir erwarten, dass, wenn wieder Frieden in Syrien ist und wenn der IS im Irak besiegt ist, dass ihr auch wieder – mit dem Wissen, das ihr jetzt bei uns bekommen habt – in eure Heimat zurückgeht“, sagte Merkel in Richtung Flüchtlinge. Der zunächst auf drei Jahre befristete Schutz vor individueller Verfolgung sei nur ein „temporärer Aufenthaltsstatus“.

Tatsächlich erhalten individuell verfolgte Flüchtlinge zunächst nur eine auf drei Jahre befristete Aufenthaltserlaubnis. Erst danach können sie eine unbefristete Niederlassungserlaubnis bekommen. Doch auch diese kann widerrufen werden, wenn der Status als geschützter Flüchtling entfällt.

Laut Asylgesetz ist drei Jahre nach Anerkennung als Flüchtling zu prüfen, ob die Voraussetzungen noch vorliegen. Wenn nicht, ist die Anerkennung zwingend zu widerrufen. Nach der Schwelle von drei Jahren liegt die erneute Prüfung aber im Ermessen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF), das dabei Weisungen des Innenminister zu beachten hat.

Von der Genfer Flüchtlingskonvention gedeckt

Da niemand damit rechnet, dass die Konflikte in Syrien und im Irak in den nächsten drei Jahren gelöst werden, kommt es also auf eine Ermessensentscheidung der künftigen Bundesregierung an. Die Genfer Flüchtlingskonvention steht diesem Verfahren nicht entgegen. Sie sieht die Aberkennung von Schutz ausdrücklich vor, wenn die Voraussetzungen entfallen.

In den nuller Jahren hat das BAMF in mehr als 40.000 Fällen die Asylgewährung widerrufen. Betroffen waren damals vor allem Iraker und Kosovo-Albaner. Vor allem die Iraker konnten dennoch in Deutschland bleiben.

Sie wurden nach der Intervention der USA nun zwar nicht mehr von Diktator Saddam Hussein verfolgt, allerdings versank das Land im terroristischen Chaos, weshalb Abschiebungen aus humanitären Gründen unterblieben. Die Betroffenen verloren allerdings ihren gesicherten Status in Deutschland.

Nur wer sich einbürgern lässt, muss keine Angst vor einem Widerruf der Anerkennung als Flüchtling haben. Die Einbürgerung ist grundsätzlich nach acht Jahren möglich, bei besonders gut integrierten Ausländern schon nach sechs Jahren.

31 Jan 2016

AUTOREN

Christian Rath

TAGS

Schwerpunkt Angela Merkel
Asylrecht
Schwerpunkt Flucht
Asylrecht
Maghreb
Schwerpunkt Flucht
Schwerpunkt Flucht
Flüchtlinge
Asylrecht
Flüchtlinge
Schwerpunkt Flucht
Asyl

ARTIKEL ZUM THEMA

Anti-Flüchtlingsnachrichten in Schweden: Brexit auf Schwedisch

Eine Aktivistin wehrt sich gegen die „Daily Mail“. Das Blatt habe Zitate von ihr verfälscht, um ein negatives Bild von Flüchtlingen zu zeichnen.

Sichere Herkunftsstaaten im Maghreb: Kretschmann ist noch unentschieden

Wie stimmen die Grünen im Bundesrat in der Frage der sicheren Herkunftsstaaten ab? Nicht unbedingt so, wie es beim Parteitag beschlossen wurde.

Flüchtlingspolitik der Bundesregierung: Abschieben nach Afghanistan

Bundesinnenminister Thomas de Maiziére ist zu Besuch am Hindukusch. Dorthin will er künftig mehr Flüchtlinge zurückschicken.

Anerkannte Asylsuchende in NRW: Kraft fordert Residenzpflicht

Ministerpräsidentin Hannelore Kraft will Asylsuchenden, die anerkannt sind, die freie Wohnplatzwahl untersagen. Denn: „Das würde NRW besonders belasten.“

Widerstand gegen das Asylpaket II: „Zum Fremdschämen“

Menschenrechtsorganisationen und Opposition lehnen die von Schwarz-Rot vereinbarten Verschärfungen des Asylrechts ab.

Koalition und Asylpaket II: Einigung bei Familiennachzug

Nach langem Streit steht das Asylpaket II, das den Familiennachzug beschränkt. Die Koalition lobt sich selbst, die Grünen finden das alles „sehr bedauerlich“.

Koalitionsstreit über Flüchtlingspolitik: Wer kann schärfer?

Die Koalition ringt um einen Kompromiss in Sachen Asylverschärfungen Teil 2. Aber auch um ihre Arbeitsfähigkeit.

Folgen des Wiener Beschlusses: Obergrenze. Obergrenze?

Es ist unwahrscheinlich, dass Österreich seine Grenzen schließt. Doch der Beschluss setzt Merkel unter Druck. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Kommentar Beschleunigte Asylverfahren: Tollkühne Turbo-Pläne

Die Pläne für das beschleunigte Asylverfahren stoßen zu Recht auf heftige Kritik. Die Leidtragenden wären traumatisierte Flüchtlinge.