taz.de -- Links geprägter Stadtteil angegriffen: Selbstentlarvender Legida-Jahrestag

In Leipzig-Connewitz zeigten Hooligans, wohin der Ungeist von Pegida und Legida führt. 250 Randalierer verwüsteten den Stadtteil.
Bild: Nach den Ausschreitungen: Ein Radpanzer der Polizei fährt durch den Stadtteil Connewitz.

Leipzig taz | Eigentlich hätte der Leipziger Pegida-Ableger Legida den Jahrestag seiner ersten Demonstration vom Januar 2015 gleich in den linksalternativ dominierten Stadtteil Connewitz verlagern können.

Dort setzten 250 Hooligans aus dem Raum Halle-Leipzig mit Pflastersteinen, Baseballschlägern und Feuerwerkskörpern in die Praxis um, was zu gleicher Zeit an Hasstiraden ins Mikrofon auf dem Versammlungsplatz in der Innenstadt gebrüllt wurde. Auf einer Hauptstraße des Szeneviertels griffen sie Kneipen an, zerstörten Geschäfte und demolierten Autos. Die Feuerwehr musste mehrere Brände löschen, die durch Raketen ausgelöst wurden.

Bis in die späten Abendstunden jagte die Polizei die Täter und brachte alle zur Identitätsfeststellung in die Polizeidirektion. Nach den Ausschreitungen vom 12. Dezember des Vorjahres waren ähnliche Attacken eher von linksautonomer Seite befürchtet worden.

Tatsächlich gab es an der Bahnstrecke Dresden-Leipzig einen Anschlag auf ein Signal, um die Anreise von Pegida-Demonstranten zu behindern. Die Polizei stoppte auch ein Auto, in dem Steine und ein Kanister Diesel gefunden wurde. Ansonsten aber traten am Montagabend nur friedliche Gegendemonstranten in Erscheinung.

Pegida unterstützt Legida

Anders als in Dresden waren die Leipziger Legida-Demonstrationen in den vergangenen Monaten auf wenige hundert Teilnehmer geschrumpft. Auch zum Jahrestag wäre man mit höchstens 500 Ausländerfeinden unter sich geblieben, wäre nicht vom nahen Hauptbahnhof ein von der Polizei eskortierter Block von etwa 3.000 Zugereisten eingetroffen.

Dresden hatte auf eine Montagsdemo verzichtet und zur Unterstützung Leipzigs aufgerufen. Damit schienen die von Anfang an bestehenden Differenzen zwischen Pegida-Chef Lutz Bachmann und den radikaleren Leipzigern beigelegt. Doch Bachmann beschränkte sich auf ein auffallend kurzes dreiminütiges Grußwort, das sich eigentlich in dem Ruf „Wir bleiben, um zu siegen“ erschöpfte.

Denn Legida erwies sich wie schon vor einem Jahr als noch brauner, aggressiver und dabei primitiver und peinlicher als das Dresdner Original. Unübersehbar ist der hohe Anteil rüder Gestalten, die sich den „Hooligans gegen Salafisten“ verbunden fühlen und Hannes Ostendorf, dem Sänger der rechten Band „Kategorie C – Hungrige Wölfe“ zujubelten.

Frauen waren auf dem Platz vor dem Naturkundemuseum nur vereinzelt zu entdecken. Der Straßenkrieg ist Männersache. Zu einem solchen aufzurufen, blieb allerdings einer Frau vorbehalten. Immer wieder braucht die ehemalige Dresdner Oberbürgermeisterkandidatin Tatjana Festerling ein großes Publikum, um ihre komplexen Phobien hinauszuschreien.

Kölner Vorkommnisse ausgeschlachtet

„Wenn die Mehrheit der Bürger noch klar bei Verstand wäre, würde sie zu Mistgabeln greifen und die volksverräterischen Eliten aus den Parlamenten, Gerichten und Kirchen vertreiben“, rief sie der johlenden Menge zu.

Festerlings Part war es, auf den Kölner „Anschlag auf deutsche blonde Frauen“ einzugehen. Angeblich verübt von einer „paramilitärischen Terrorgruppe, verteilt auf mehr als 10.000 Asylstandorte in Deutschland“. Diese „Sex-Dschihadisten“ und „Invasoren“ würden generalstabsmäßig gesteuert, verstieg sich Festerling.

Übertroffen wurde sie nur noch vom Dauergebrüll des Schweizers Ignaz Bearth, der die Menge schließlich zu „Putin, Putin“-Rufen animierte. Bei diesem Höhenflug deutscher Leitkultur hatte es Gastgeber Markus Johnke schwer mitzuhalten. Über ein „Ami go home!“ und die Beschimpfung der Antifa als „staatlich bezahlte Schlägertruppe“ kam er nicht hinaus.

Beim anschließenden „Abendspaziergang“ auf einer weiträumig abgesperrten Route erklang aus zahlreichen Fenstern Schillers „Ode an die Freude“ in Beethovens Vertonung. „Viehzeug!“, kommentierte ein Legidist, der zum Filmen zurückgeblieben war.

Lichterkette knapp geschlossen

Traditionell ist der zivile Widerstand gegen die Legida-Ungeheuerlichkeiten in Leipzig ausgeprägter als etwa in Dresden. Nur 150 Meter von Legida entfernt endete ein lautstarker studentischer Demonstrationszug.

Eine andere Kundgebung mit Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) endete in der Thomaskirche. Ein breites Bündnis „Leipzig bleibt helle“ hatte zu einer Lichterkette um den Innenstadtring aufgerufen. Mit etwa 3.000 Teilnehmern konnte sie allerdings nur knapp geschlossen werden.

Während Sachsens Justizminister Sebastian Gemkow als einziger namhafter CDU-Vertreter an der Kundgebung teilnahm, hatte sich die lokale Union distanziert. Die CDU-Bundestagsabgeordnete Bettina Kudla lehnte eine Beteiligung an der Lichterkette ab, weil sie „die Bemühungen der Bundesregierung um eine Reduzierung und Eingrenzung der Asylbewerberzahlen torpedieren würde“.

12 Jan 2016

AUTOREN

Michael Bartsch

TAGS

Legida
Leipzig
Rechtsextremismus
Connewitz
Rechtsextremismus
Sachsen
Schwerpunkt Pegida
Schwerpunkt Pegida
Schwerpunkt Flucht
Schwerpunkt Neonazis
Die Linke
Leipzig
Legida
Schwerpunkt Pegida
Leipzig
Schwerpunkt Pegida
Flüchtlinge
Mvgida

ARTIKEL ZUM THEMA

Nach Neonazi-Randale in Leipzig: Bislang 100 Rechte angeklagt

Fast genau vor zwei Jahren randalierten knapp 200 Neonazis im Leipziger Stadtteil Connewitz. Nun sind 100 Personen angeklagt: weil es so viele sind, jeweils zu zweit.

Anschlag auf sächsischen Justizminister: Lechts und rinks velwechsert

Den Anschlag auf die Wohnung des sächsischen Justizministers verübten rechte Hooligans. Zuvor war von Linksextremisten als Tätern die Rede.

Prozess gegen Pegida-Anführer: Die Bachmann-Show in Dresden

Der Prozess wegen Volksverhetzung in Dresden beeindruckt den Pegida-Anführer kaum. Die Besucher liefern einen tiefen Einblick ins Milieu.

Geplanter Schutz für JournalistInnen: Soll das die Lösung sein?

Eine Journalistin wurde kürzlich auf einer Legida-Demo angegriffen. Nun will der MDR MitarbeiterInnen nur noch mit Wachleuten losschicken.

Pegida-Slogans auf Ebay: Fiese Shirts einfach melden

Lutz Bachmann posierte vor kurzem mit einem „Rapefugee“-Shirt gegen Flüchtlinge. Ein kleines Kontingent wurde über Ebay vertrieben.

Kommentar Nazi-Angriff in Leipzig: Ein Quasipogrom, kein Aufschrei

Die Ausschreitungen in Leipzig und auch die Hetzjagden auf Menschen in Köln werden mit Gleichmut hingenommen. Wie kann das sein?

Juliane Nagel über die Angriffe in Leipzig: „Der feuchte Traum der Neonazis“

Am Abend des 11.01. fand Linke-Politikerin Juliane Nagel ihren Wahlkreis von Neonazis verwüstet vor. Der Angriff sei genau organisiert gewesen, sagt sie.

Großangriff auf einen Stadtteil: Der Kampf um Connewitz

Über 200 Neonazis nehmen Leipzigs Alternativviertel Connewitz auseinander. Der Angriff läutet eine neue Ära ein.

Einschätzung der Krawalle in Connewitz: Auf dem Pfad der Gewalt

Neonazis feiern die Randale von Leipzig. Die Ausschreitungen sind ein weiterer Schritt einer sich derzeit radikalisierenden Szene.

„Pegida“-Aufmarsch am Montag: Slowake in Dresden verprügelt

Zwischen 3.500 und 4.000 Menschen sollen am Montagabend in Dresden demonstriert haben. Für nächste Woche mobilisiert „Pegida“ nach Leipzig.

Anti-Nazi-Demo in Leipzig: Krawalle mit Ansage

Konservative bis Linke verurteilen die Gewalt durch Anti-Nazi-Demonstranten in Leipzig. Kritik gibt es auch an der Strategie der Polizei.

Jahrestag von Pegida in Dresden: Ein Jahr Fremdenfeindlichkeit

Rund 15.000 Mitläufer der rechtsextremen Gruppe demonstrieren am Abend gegen „Feinde des deutschen Volkes“. Feierstimmung? Geht so.

Angriffe auf Journalisten bei Pegida: Mit der Faust ins Gesicht

Die fremdenfeindlichen Bewegungen Pegida in Dresden und Legida in Leipzig erhalten wieder Zulauf. Es kommt auch zu Übergriffen auf Journalisten.

Mecklenburg und Sachsen: Rechte Demos gegen Flüchtlinge

Am Wochenende haben Asylgegner an mehreren Orten in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen demonstriert. In Leipzig flogen Steine auf die Polizei.