taz.de -- Waffen in den USA: Wild-West-Zeiten in Texas
Seit dem Ende des Bürgerkriegs dürfen in Texas Pistolen nicht mehr offen getragen werden. Bis jetzt. Und Obama plant einen Alleingang für mehr Waffengesetze.
Washington dpa/taz | In Texas feiern Waffenfans nicht nur den Beginn des neuen Jahres, sondern auch eine für sie willkommene neue Knarren-Freiheit: Seit dem ersten Januar dürfen alle BürgerInnen, die eine staatliche Lizenz haben, eine Handfeuerwaffe zu besitzen, diese Waffe offen tragen. In den USA unterscheiden die Bundesstaaten zwischen „open carry“, also dem sichtbaren Tragen einer Waffe, und „concealed carry“. Dann muss man die Waffe in einem Holster unter der Kleidung tragen.
Waffenlobbyisten und Organisationen wie [1][“Open Carry Texas“] setzen sich seit langem dafür ein, dass das offene Tragen von Pistolen und Revolvern wieder zur Normalität in Texas wird. Bis dato durften nur Gewehre und andere Langfeuerwaffen offen getragen werden. In Texas besitzen mehr als 820.000 Menschen eine staatliche Lizenz, um Waffen tragen zu können. Texas ist der 45. Bundesstaat, in dem das offene Tragen ganz oder teilweise gestattet ist. Ein Sieg für die Waffenlobby, ungeachtet der immer wiederkehrenden Nachrichten über Amokläufe und Schießereien in den USA.
Die Waffenfanatiker gehen sogar soweit, dass sie für eine Abschaffung jeglicher Lizenzen plädieren und darauf beharren, dass jeder verfassungsmäßig das Recht haben sollte, eine Waffe zu besitzen – ohne dafür ein Traininung oder ähnliches durchlaufen zu müssen.
Unterdessen plant US-Präsident Barack Obama, den Zugang zu Schusswaffen angesichts der Blockadehaltung des Kongresses im Alleingang zu begrenzen. Am Montag werde er sich mit Justizministerin Loretta Lynch treffen, um mögliche Schritte zu besprechen, kündigte Obama [2][in seiner wöchentlichen Videobotschaft] an, die das Weiße Haus an Neujahr veröffentlichte.
Überprüfung der Käufer
„Ich erhalte zu viele Briefe von Eltern, Lehrern und Kindern, als einfach herumzusitzen und nichts zu tun“, sagte Obama. Auch viele verantwortungsvolle Waffenbesitzer glaubten daran, dass sich der Zugang zu Waffen besser regulieren lasse, um zu verhindern, dass „einige Gefährliche Schaden im großen Maßstab anrichten.“
Am Donnerstag hatten mehrere US-Medien bereits berichtet, dass Obama per Erlass auch kleinere Waffenhändler zur Überprüfung der Käufer zwingen will. Auch die Vorschriften für das Melden gestohlener oder verloren gegangener Waffen sollen auf diesem Weg verschärft werden.
Obama hat die Gesetzgeber im republikanisch beherrschten Kongress immer wieder dazu aufgerufen, sich zu strengeren Waffengesetzen durchzuringen, zuletzt nach der Attacke von San Bernardino mit insgesamt 16 Toten. Die meisten Republikaner und die mächtige Waffenlobby NRA wehren sich aber gegen einen solchen Schritt.
Bereits vor drei Jahren hatte der Kongress einen Gesetzesentwurf diskutiert, der Hintergrund-Überprüfungen für nahezu alle Käufer von Waffen vorgeschrieben hätte. Rund 90 Prozent der Amerikaner hätten den Entwurf unterstützt, sagte Obama. „Aber die Waffenlobby mobilisierte dagegen. Und der Senat blockierte es.“
Obama dürfte die Vorhaben spätestens in seiner letzten Rede zur Lage der Nation am 12. Januar ankündigen. Jede präsidiale Verfügung Obamas könnte von seinem Nachfolger oder seiner Nachfolgerin allerdings sofort wieder aufgehoben werden.
1 Jan 2016
LINKS
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
In den USA finden Hersteller kugelsicherer Alltagsgegenstände immer neue Geschäftsgebiete. Wann sind wir alle bulletproof?
Bei einem Angriff auf einen Schwulenclub in Orlando (Florida) gab es 50 Tote und 42 Verletzte. Die Polizei erschoss den mutmaßlichen Täter und ermittelt.
Im Vorstoß Obamas liegt die Chance, die Normalität von Waffengewalt zu durchbrechen. Politisch begeht er ein Risiko. Aufgeben ist keine Option.
US-Präsident Obama ordnet an, Waffenhändler und deren Kunden künftig besser zu kontrollieren. Die Waffengesetze ändern kann er aber nicht.
Um die grassierende US-Waffengewalt einzudämmen, handelt Obama am Kongress vorbei. Sein Handlungsspielraum ist ziemlich begrenzt.
Bewaffnete Weiße besetzen ein Nationalpark-Gebäude. Weder Polizei noch Medien flippen aus. Anders als bei Protesten von Schwarzen.
In Chicago sind erneut zwei Schwarze von Polizisten getötet worden. Dahinter steckt Rassismus. Der ist aber nicht das einzige Problem.
Im liberalen San Francisco macht der letzte verbliebene Waffenladen dicht. Die Betreiber kapitulieren vor der staatlichen Regulierung.
Nach dem Massaker mit zehn Toten in den USA kritisiert Barack Obama in einer emotionalen Rede die „Routine“ von Amokläufen. Es wird nichts ändern.
Die USA haben ein offensichtliches Rassismusproblem. Genauso problematisch ist die Selbstverständlichkeit, Waffen zu tragen.
Schweine werden vom Helikopter aus getötet, die 9mm-Pistole liegt in der Bibel und Gewehre werden offen getragen: eine Reise durch Texas.