taz.de -- Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Die CSU erkennt den IS an, bedingungsloses Grundeinkommen ist Valium und die Angst vor Terror ist nicht mehr als ein Dämon.
Bild: Tot: Motörhead-Sänger Lemmy Kilmister

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?

Friedrich Küppersbusch: 2016 und ich sind frisch verheiratet. Ich unterschreibe immer noch mit der alten Zahl!

Und was wird besser in dieser?

2016 könnte das Erbe von 2015 ausschlagen und gut werden.

Erst Hannover, nun München: Terrorwarnung, Bahnhöfe gesperrt, Polizei in Alarmbereitschaft. Müssen wir uns an so was etwa gewöhnen?

Solange wir nicht erfahren, welche „Antworten die Bevölkerung verunsichern würden“, bleibt die Angst ein Dämon.

Zur Terrorabwehr will die CSU zukünftig nur noch Flüchtlinge mit gültigen Papieren reinlassen. Kann das helfen?

Clever. Läuft faktisch auf die diplomatische Anerkennung des IS durch den Freistaat Bayern hinaus. Der IS nimmt das Stempelgeld für Pässe gern mit, während anständige Diktaturen mal zuerst die Papiere der verdächtigen Subjekte einziehen. Bayerns Lehre aus der Geschichte: Hätten die Juden einen Reisepass beim NS-Staat beantragt, wäre alles ganz anders gekommen.

Von gelungener Einwanderung habe ein Land noch immer profitiert, hat Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Neujahrsansprache gesagt. Muss man die Frau langsam, aber sicher richtig gern haben?

Als frisch gestürzter Bundeskanzler bekam Helmut Schmidt 1983 beim SPD-Parteitag für seine „Nachrüstungspolitik“ noch 14 von über 400 Delegiertenstimmen. Die Zustimmung der Konservativen für die programmatische Ausrichtung ihrer Vorsitzenden scheint heute ähnlich spontan begeistert. Von daher ein kluger Schachzug Merkels, auf absehbare Zeit keine Exkanzlerin zu sein. Und den letzten Rest Opposition für die Schwärmerei zu gewinnen, die Unionsvorsitzende gegen die Union zu verteidigen.

Immerhin ist es ein historisches Unikum, dass eine Kanzlerin die Innenpolitik so lange liegen lässt, bis die Außenpolitik Innenpolitik wird: Hier ist die Integration eine kleine Übung gegen die klaffende Schere zwischen reichen und armen Insassen. Was da an Pegida, AfD und auch linkem Politikverzicht herumläuft, ist aus Ungerechtigkeit der bestehenden Gesellschaft geboren. Das nun am Beispiel von Zuwanderern reparieren zu wollen ist verwegen. Kurz: Das Regiment Merkel ist morsch, außer ihr hat es aber keiner gemerkt.

Finnland testet in diesem Jahr das bedingungslose Grundeinkommen. Und selbst Timotheus Höttges, der Chef der Telekom, hält das Instrument für okay. Bekommen wir bald alle Kohle vom Staat?

Die Verfassung der DDR enthielt ein „Recht auf“ wie eine „Pflicht zur“ Arbeit. Das mag man, mit der ganzen Verfassung, für überzeugend gescheitert halten. Es trug zu sinnentleerter Arbeit bei, hinderte Rationalisierung, und vor allem: diskriminierte jeden anderen Lebensentwurf als „asozial“. Warum sollte das Gegenteil nun weniger bescheuert sein? Der finnische Entwurf läuft auf eine Maximalverschlankung der Sozialbehörden hinaus, die Sätze liegen unterhalb des deutschen Hartz IV. Eine Kelle Brei aus dem Eimer für alle und ab da: Schnauze halten.

Das Schweizer Volksbegehren dagegen mutet wie eine Daseinsbelohnungs-Apanage an: Man müsste gut verdienen, um mehr zu verdienen als die, die nichts verdienen. Allen Ansätzen gemein ist, dass der menschenverachtende Kern unausgesprochen bleibt: die allgemeine Konsumpflicht. Selbst der migrantischste Bildungsverlierer taugt noch, ein bisschen Staatskohle zu Aldi und Mediamarkt zu schleppen, mit seinen Lebenswünschen möchte er darüber hinaus die Gesellschaft bitte nicht belästigen.

Ob es ein neoliberaler Durchmarsch ist oder eine Deppen-Diät: Eine Gesellschaft, die am Einzelnen nur noch sein Funktionieren als Konsument interessiert, ist tot. Sie investiert in Valium – statt in Bildung, Förderung, Projekte. Es ist keine linke Politik, zu fordern, dass die Konzerne und der Staat beim Passieren des Marktplatzes endlich wieder Dukaten aus der Prunkkutsche in den Staub werfen.

Nach Helmut Schmidt ist 2015 auch der „Lemmy“ Kilmister von Motörhead gestorben. Gehen uns die Vorbilder für den ungesunden Lebensstil aus?

Ich habe schon bei Schmidts Abschied meinen „Gletscherprise“-Konsum verdoppelt. Ich kann jetzt nicht auch noch das Saufen anfangen.

Pep Guardiola geht in sein letztes halbes Jahr mit dem FC Bayern. Werden Sie ihn vermissen?

Da Katar sich zur Handball-WM die beste Mannschaft gekauft hat, die für Geld im Angebot war, kann Guardiola sich die Zeit bis ca. 2019 noch woanders vertreiben.

Und was machen die Borussen?

Brackel. Es muss etwas Heiltherapeutisches haben, wenn man heute früh zum ersten Training von den schönsten Urlaubsorten der Welt wieder da antritt – in Brackel.

Fragen: JÜK

3 Jan 2016

AUTOREN

Friedrich Küppersbusch

TAGS

CSU
Terrorismus
Helmut Schmidt
„Islamischer Staat“ (IS)
Lemmy Kilmister
Grundeinkommen
Schwerpunkt TTIP
Sachsen
Friedrich Küppersbusch
Schwerpunkt Pegida
Schwerpunkt AfD
Fed
Schwerpunkt Angela Merkel
Schwerpunkt Syrien

ARTIKEL ZUM THEMA

Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Das Asylrecht ist fertigstranguliert. Das Innenministerium lässt sich nichts vormachen. Und Barbie hat Präsidentinpotenzial.

Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Bürger beteiligen sich gedanklich an Gewaltszenarien. Und man fragt sich, ob Sachsen eigentlich noch ein sicheres Herkunftsland ist.

Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Maas lässt sich von „Bild am Sonntag“ antanzen, „Mein Kampf“ kann nichts, und am EU-Rand entsteht ein Rabaukenriegel.

„Pegida“-Aufmarsch am Montag: Slowake in Dresden verprügelt

Zwischen 3.500 und 4.000 Menschen sollen am Montagabend in Dresden demonstriert haben. Für nächste Woche mobilisiert „Pegida“ nach Leipzig.

Jahresrückblick 2015: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Ein Jahr der Krisen: Varoufakis scheitert, das G36 schießt nicht richtig und Merkel flieht nach vorn in die eigenen Arme.

Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Notenbank Knotenbank, Hoden-Luft-Raketen, Babys unterwegs und die Saudis im Kampf gegen den Terror der Anzeigekrise bei der „FAZ“.

Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Die Marseillaise auf Esperanto, Springteufel Gabriel, der olle Kirmesboxer Trump und Merkel, die kleine Raute Nimmersatt.

Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Leyenhaft Formuliertes zum Syrien-Einsatz, Russlands Luftangriffe als Kundenpflege und die „Spiegel“-Nische NRW.