taz.de -- Kommentar zu Abschiebungen: Die neue Härte fordert Opfer

Das Asylrecht schafft eine Zweiklassengesellschaft der Geflüchteten. Hauptsache die Statistik stimmt, die Humanität bleibt dabei auf der Strecke.
Bild: Diese Geflüchteten reisen freiwillig wieder aus

Es war die größte Asylrechtsverschärfung der letzten 20 Jahre, die im Oktober im Eiltempo durch das Parlament gepeitscht wurde. Doch es gab keinen Aufschrei, weil sie vom unionsinternen Streit um eine ominöse Asyl-Obergrenze und Merkels „Wir schaffen das“ überdeckt wurde. Nun werden die Härten sichtbar, die das neue Asylrecht mit sich bringt. Und klar wird, dass die Kritiker mit ihren Befürchtungen richtig lagen.

Menschen, die viele Jahre in Deutschland gelebt haben oder sogar hier geboren und aufgewachsen sind, werden jetzt in angeblich „sichere Herkunftsstaaten“ abgeschoben, deren Sprache sie oft gar nicht mehr sprechen. Sie werden nachts ohne Vorwarnung aus ihren Betten geholt, zum Flughafen gebracht und nach Albanien oder das Kosovo verfrachtet, wo sie keine Aussicht auf Arbeit, Ausbildung oder ein menschenwürdiges Leben haben.

Viele Bundesländer haben die Schlagzahl ihrer Abschiebungen erhöht. Angesichts der großen Zahl an Flüchtlingen, die in diesem Jahr nach Deutschland kommen, haben sie einen Aktionismus entwickelt, der vor allem darauf zielt, die Gesamtzahl um jeden Preis zu drücken. Hauptsache, die Statistik stimmt. Das geht auf Kosten der Humanität und fordert Opfer.

Es mag ja nachvollziehbar erscheinen, Menschen, die kein Anrecht auf Asyl haben und die nicht vor einem Bürgerkrieg fliehen, rasch wieder in ihre Heimat zurückzuschicken – auch wenn viele von ihnen dann womöglich als Illegale nach Deutschland zurückkehren werden. Doch die neue Härte trifft auch viele Menschen, die vor einem Jahr noch gute Aussichten hatten, weiter geduldet zu werden oder ein Bleiberecht zu erhalten.

Sie schafft eine Zweiklassengesellschaft zwischen Flüchtlingen etwa aus Syrien, die rasch integriert werden sollen – und solchen, die längst hier heimisch geworden sind, aber nun abgeschoben werden, nur weil sie Roma vom Balkan sind. Das ist widersinnig und schlichtweg nicht nachvollziehbar.

21 Dec 2015

AUTOREN

Daniel Bax

TAGS

Flüchtlinge
Schwerpunkt Syrien
Balkan
Asylrecht
Schwerpunkt Flucht
sichere Herkunftsländer
Roma
Schwerpunkt Flucht
Flüchtlingspolitik
Schwerpunkt AfD
Asylpolitik
Thomas de Maizière
Asylrecht

ARTIKEL ZUM THEMA

Flüchtlinge aus Balkanstaaten: Stanisavs Abschiebung

Seit 2015 gelten die Balkanstaaten als sichere Herkunftsländer, die Einzelfallprüfung entfällt. Eine Katastrophe für die Romafamilie Marković.

CSU und die Flüchtlinge: Welche Länder „sicher“ sein sollen

Algerien und Marokko sollten aus Sicht der CSU als sichere Herkunftsstaaten eingestuft werden. Noch sei nichts entschieden, entgegnet Kanzlerin Angela Merkel.

Debatte Hilfe für Geflüchtete: Die dritte Unterhose nach Kabul

Flüchtlinge bleiben auf Bahnhöfen und Straßen unversorgt zurück, weil die Behörden versagen. Die Not Geflüchteter nimmt uns in die Pflicht.

AfD-Parteitag in Hannover: Bis kaum ein Flüchtling übrig bleibt

Für die AfD läuft es gut, ohne dass sie viel dafür tun muss. Deshalb wird auf dem Parteitag Einigkeit demonstriert. Dennoch setzt der rechte Flügel ein Zeichen.

CDU will noch schärferes Asylrecht: In Seehofers Fußstapfen

Bremer CDU plädiert bei Asylpolitik für Flüchtlings-Sonderlager und Sachleistungen, aber gegen „ungeregelte Einwanderung“.

Familiennachzug für syrische Flüchtlinge: Koalitionsstreit um Asylgesetz

Innenminister de Maizière schart mit seiner Idee zum begrenzten Familiennachzug für Syrer immer mehr Fans in CDU und CSU hinter sich. Die SPD hält dagegen.

Kommentar Aushöhlung des Asylrechts: Keine Flüchtlinge zweiter Klasse!

Die Bundesregierung demontiert in hohem Tempo und ohne Weitsicht das Asylrecht. Ein deutliches Signal dagegen ist überfällig.