taz.de -- Reaktionen im Netz auf Paris: Symbolische Anteilnahme mit Opfern
Peace-Symbol mit Eiffelturm, #notinmyname, Trikolore als Profilbild – so sehen Reaktionen im Netz auf die IS-Anschläge in Paris und Beirut aus.
Berlin taz | Das Blut der Opfer in Paris war noch nicht getrocknet, die Geiselnahme noch nicht beendet, da fand der Publizist und Autor der Tageszeitung Die Welt Matthias Matussek schon eine Einordnung: „Ich schätze mal, der Terror von Paris wird auch unsere Debatten über offene Grenzen und eine Viertelmillion unregistrierter junger islamischer Männer im Lande in eine ganz neue frische Richtung bewegen“, [1][facebookte er drauf los], mit Lächel-Smiley (den er nach harter Kritik u.a. von Springer-Kollegen in einen traurigen umwandelte).
Während Matussek hier sogar für seine Kreise weit über das Ziel hinausgeschossen sein mag, sind viele andere Beitrage zu den Anschlägen sehr viel versöhnlicher und geprägt von Trauer und Solidarität. Zum Symbol der Solidarität mit den Opfern von Paris wurde schnell ein Peace-Zeichen aus einem Kreis und einem stilisierten Eiffelturm. Gemalt hat es der französische Cartoonist und Künstler [2][Jean Jullien]. Er hörte im Radio von den Anschlägen und griff zum Pinsel. „Ich drücke mich visuell aus, also war meine erste Reaktion, ein Symbol des Friedens für Paris zu zeichnen“, [3][erklärte Jullien in einem Interview mit Time].
„Danach ist es mir ein bisschen aus den Händen geglitten.“ - „Ein bisschen“ ist gut, auf [4][Twitter wurde es 55.000 mal geteilt], auf [5][Instagram bekam es 149.000 Likes] (und in einem [6][Repost von Instagram] selbst 1,4 Mio), auch [7][auf Facebook ging es rund]. „Ich bin berührt, dass so viele Leute es teilen, überall auf der Welt“, sagte Julliet gegenüber Time. „Die Zeichnung soll Frieden und Solidarität rüberbringen, und das hat sie offenbar geschafft.“
Julliens Bild ist inzwischen Vorbild für weitere Solidaritätsbekundungen geworden: etwa für die [8][Opfer der Anschläge in Beirut], die im Trubel um Paris fast untergegangen sind. Der britische Musiker und Kreative Kristian Labak [9][ersetzte Julliens Eiffelturm mit einer Zeder], die auch die libanesische Flagge ziert – auf Twitter mittlerweile mehr als 1.600 Mal geteilt.
Im Zuge der Anschlagserie von Paris lebt auch der Hashtag #notinmyname wieder auf (sowohl auf [10][Twitter], als auch auf [11][Instagram]): Muslime aus aller Welt posten Bilder von sich, auf denen sie ein Schild mit der Aufschrift „Not in my name“ (“Nicht in meinem Namen“) tragen. So distanzieren sie sich vom Terror des sogenannten Islamischen Staates. Bereits [12][vor etwa einem Jahr kam dieser Hashtag] auf. Die Initiative aus Großbritannien will nicht Terroristen und Dschihadisten die Deutungshoheit darüber überlassen, wofür der Islam steht ([13][Youtube-Video der Kampagne]).
Kritik an selektiver Anteilnahme
Facebook gibt derweil seinen Mitgliedern die Möglichkeit, ihr Profilbild in die französischen Nationalfarben zu tünchen – wovon zahlreiche User_innen auch Gebrauch machen. Eine der ersten war [14][Facebook-Mitarbeiterin Sheryl Sandberg.] Die Einrichtung ist simpel: einfach bei jemandem, der die Farben schon hat, das Bild anklicken, um es auch bei sich anzuwenden. Eine ähnliche Funktion gab es schon im Sommer dieses Jahres, als Profilbilder mit Regenbogenfarben unterlegt werden konnten, um Solidarität mit dem Kampf gegen Homophobie und für die Ehe für alle auszudrücken. Dieses Feature ist ebenfalls [15][immer noch verfügbar].
An dieser Aktion gibt es aber auch Kritik. Der Torontoer Aktivist LaLi Mohamed mahnt [16][in einem über 3.000 Mal geteilten Beitrag]: Zwar solle man um die Opfer trauern, aber das ginge auch, ohne die Farben zu übernehmen, die für so viele Todesopfer bei Luftschlägen in der Vergangenheit und in der Zukunft stehe. „Bitte ändert nicht Eure Profilbilder in die Trikolore eines Staates, der wiederholt Camps in Somalia, Dörfer in Mali und Kliniken in Afghanistan bombardiert hat und seine Atombomben in der Sahara testet – die nach diesen Farben benannt sind: gerboise bleue, gerboise blanche, gerboise rouge.“ Die Wahrnehmung sei extrem selektiv, bemängelt der Autor. „So viele von uns schmerzt die Stille, wenn Bagdad bombardiert wird, wenn Palästina bombardiert wird, wenn Beirut bombardiert wird. Sind es diese Leben nicht auch wert, dass man um sie trauert?“
15 Nov 2015
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