taz.de -- Miet-Alternative für Flüchtlinge: In Brandenburg gibt‘s Wohnraum

Der Wohnungsverband kann sich 15.000 Wohnungen für Flüchtlinge am Rand des Tempelhofer Felds vorstellen. Eine Alternative wäre Brandenburg.
Bild: Das Tempelhofer Feld in Berlin.

Berlin taz | Die Wohnungswirtschaft drängt darauf, die Debatte über das Tempelhofer Feld wieder aufzumachen: Angesichts der gegenüber dem Volksentscheid von 2014 so veränderten Lage müsse man über eine Bebauung an den Rändern noch mal nachdenken. „Da kann man gut 10.000 bis 15.000 Wohnungen hinbekommen“, sagte die Chefin des Verbands Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU), Maren Kern, am Donnerstag. Sie kritisierte zudem Regierungschef Michael Müller und Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (beide SPD) dafür, nicht stärker Brandenburg als Entlastung für den Berliner Wohnungsmarkt zu betrachten. Im 60-Minuten-Umkreis gebe es rund 10.000 leer stehende Wohnungen.

Kern äußerte sich bei der Vorstellung der jährlichen Marktübersicht des Verbands. Er vertritt 350 städtische, genossenschaftliche, private und kirchliche Unternehmen, denen in Berlin 40 Prozent aller Mietwohnungen gehören. Kerns Forderung, über das Tempelhofer Feld neu zu diskutieren, erweitert die vom Regierenden Bürgermeister jüngst aufgemachte Debatte über das frühere Flugfeld: Müller will das seit 2014 gesetzlich verankerte Bauverbot lockern und am Rand Traglufthallen für Flüchtlinge aufstellen lassen.

Die Verbandschefin sieht auch auf dem aktuellen Flughafenstandort Tegel weit größeres Potenzial für Wohnungsbau als bislang vom Senat erwogen: Gegenüber bisher kursierenden Zahlen zwischen 1.000 und 5.000 Wohnungen hält Kern 10.000 Wohnungen für möglich, wenn der Flughafen nach der für 2017 geplanten BER-Eröffnung dichtmacht.

Der BBU-Bericht wirft auch die Frage auf, ob Brandenburg zur Entlastung des Berliner Wohnungsmarktes beitragen kann – und beantwortet sie mit einem Ja. Kern verwies auf viele Berufstätige, die innerhalb Berlins über eine Stunde zu ihrer Arbeitsstelle unterwegs seien. Dem stellte sie 10.000 leer stehende Wohnungen in brandenburgischen Städten gegenüber, die per Zug binnen 60 Minuten zu erreichen seien. Berechnungsgrundlage war jeweils die Fahrzeit vom jeweiligen Bahnhof oder Haltepunkt zum nächst gelegenen Knotenpunkt in Berlin – etwa Südkreuz, Ostkreuz oder Gesundbrunnen.

Ludwigsfelde etwa ist nach BBU-Rechnung nur 22 Minuten entfernt, Eberswalde 30 und Frankfurt/Oder 54 Minuten. Die Mieten liegen nach Verbandsangaben deutlich unter denen in Berlin. Für Neuvermietungen beträgt die Durchschnittsmiete in der Hauptstadt bei den BBU-Mitgliedsunternehmen 6,31 Euro pro Quadratmeter. In Frankfurt sind es nur 4,70 Euro, in Brandenburg an der Havel – 46 Minuten entfernt – 4,94 Euro.

Laut Kern pendeln in Berlin 30 Prozent der Berufstätigen zur Arbeit ein. In München seien es 60 Prozent. „Ich denke, das ist für eine Metropolenregion eher die Realität“, sagte die Verbandschefin. Sie rief dazu nach schnelleren und öfteren Bahnverbindungen. Ziel sei es, alle brandenburgischen Städte in einer Stunde erreichbar zu machen. Kern hielt den zuständigen Senatsmitgliedern vor, nicht über die Landesgrenze hinauszuschauen – in Hamburg, eingebettet in Niedersachsen, gehe das ja auch.

Kritisch äußerte sich Kern hingegen zu Überlegungen, Berlin zugewiesene Flüchtlinge in Brandenburg unterzubringen. Denn an möglichen Standorten, wo es freie Wohnungen gebe, würden die Arbeitsplätze fehlen: „Das wird keine erfolgreiche Integration zur Folge haben.“ In Berlin hält sie die sogenannten temporären Bauten, also etwa Containerdörfer, für notwendig, um die wachsende Zahl an Einwohnern zu bewältigen: „Diese Bauten werden lange zum Stadtbild gehören.“

19 Nov 2015

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Stefan Alberti

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