taz.de -- Die Wahrheit: Der homosexuelle Mann …

Das sexuelle Bild vom schwulen Körper wandelt sich jede Generation. Gerade sind die glatten, haarlosen, wie an der Werkbank geformten Bodies out.
Bild: Auch ein „Traumschiff“ bietet nicht nur makellose Schönheit

… und sein Körper: Das ist eine Geschichte, angelegt für die Ewigkeit, die dann doch nur eine Generation überdauert. Der schwule Körper heute ist das Ergebnis harter Arbeit. Viel wurde geschraubt und gefeilt, bis er sich sehen lassen kann. Unbehaart muss er sein, kein Gramm Fett zu viel, ein Sixpack ist Pflicht ebenso wie ein professionell definierter Hintern und ein Schwanz von beachtlicher Länge.

Homomagazine, Pornos und Datingportale zeigen alle die gleichen Körper, so, als seien sie an einer Werkbank geformt. Dabei stecken in ihnen jegliche sexuellen Fantasien, idealtypisch aufgelöst. Der Weg dahin ist steinig, viel Lebenszeit geht dafür drauf im Sportstudio, viel Geld muss bezahlt werden beim Chirurgen. Die Haut im Analbereich wird aufgehellt, Anal Bleaching heißt das Verfahren, und die Behaarung an gleicher Stelle wird einfach weggelasert. Anabole Steroide werden eingenommen, trotz Gesundheitswarnung, und Testosteron muss sein bei schwächelnder Männlichkeit.

Dass dieser Traumkörper nichts ist für alle Zeiten, zeichnet sich ab an neuesten Trends. Das Dogma unbehaarter Körper weicht auf. Mit dem Vollbart, inzwischen als Gesichtsschmuck absolutes Pflichtprogramm, kommen die Achselhaare zurück und die auf der Brust, und im Schambereich ist ein quasi Dreitagebart erlaubt. Die glatte Oberfläche raut sich auf, die Ära der Babyhaut geht zu Ende.

Natürlich war der schwule Körper nicht immer so clean, zu seiner vollen Reife kam er erst zu den Hochzeiten von Aids. Je mehr die Krankheit auch optisch Besitz ergriff von den Körpern schwuler Männer, um so strahlender erschien die Gegenwehr in den Bildern derer, die noch einmal davongekommen waren. Sie wollten und sollten vor allem gesund aussehen, blitzblank und pickelfrei, strotzend vor Tatkraft und Zukunft.

Ganz im Gegensatz zu den Jahren davor. In den Zeitschriften, die nach der ersten Reform des Paragrafen 175 zu Beginn der siebziger Jahre frei verkäuflich erscheinen durften, waren die Abbildungen nackter Männer noch reiner Wildwuchs. So, als wäre vieles möglich und gebe es keine Verbote ästhetischer Art. Nun gut, jung mussten die Jungs schon sein, durchaus auch unter der gesetzlich erlaubten Altersgrenze. Aber muskulös? Mager reichte schon aus, behaart oder nicht, das war auch egal ebenso wie Länge und Umfang des Geschlechtsteils. Die Körper waren unbehandelt und die Posen ungelenk.

Die Studios, in denen die Modelle aufgenommen wurden, sahen aus wie heimische Schlafzimmer, oder waren tatsächlich private Umgebung. Auch irgendein Strand war recht, eine Wiese, ein Wald, Natur, in der man nicht sofort entdeckt wurde bei der fotografischen Arbeit. Alles wirkte ungezielt, so, als ginge es darum, den Umgang mit dem Körper noch zu lernen, Attraktivitäten zu testen und für den Markt auszuprobieren.

Der Weg war weit von den unbeholfenen Experimenten hin zu den stereotypen Erektionshilfen, dahinter aber versteckten sich damals wie heute die Ideale ihrer Zeit.

17 Nov 2015

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Kraushaar

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