taz.de -- Kolumne Press-Schlag: Sumpf, Spikes und Scheinheiligkeit
Das Rennen um den Titel des korruptesten Sportverbands bleibt eng. Auch die Leichtathletik-Vereinigung IAAF ist vorn mit dabei.
Es lodert allerorten. Gleich mehrere Institutionen des organisierten Sports stehen am Pranger – und womöglich vor einem Umbruch. Die Autonomie des Sport hat eine Parallelgesellschaft geschaffen, in der Vetternwirtschaft, Schmiergeldzahlungen, Vertuschung von Dopingfällen und schwarze Konten an der Tagesordnung sind. Diese Parallelgesellschaft, die nicht selten Züge mafiöser Bruderschaften trägt, gehört abgeschafft.
Nicht nur im Fußballweltverband Fifa und im DFB ist derzeit zu sehen, wie trickreich die Sportverwaltung war, auch der internationale Leichtathletikverband IAAF hat ein großes Problem mit Korruption, Bestechlichkeit und Geldwäsche. Versteckt unter dem Deckmantel des angeblich hehren Sports haben Funktionäre über Jahrzehnte ihr giftiges Süppchen gekocht und sich bereichert. Die Öffentlichkeit wurde getäuscht. Man hat sich Fernseh- und Werbeverträge mit einem Produkt erschlichen, das längst nicht so schön und sauber gewesen ist, wie man das behauptete.
In der Fifa war es das System Blatter, das seine unselige Wirkung entfaltete, in der IAAF das System von Lamine Diack, des ehemaligen Präsidenten, der erst im Sommer dieses Jahres das Amt an den Engländer Sebastian Coe übergeben hat. Der ehemalige Mittelstreckenläufer Coe ist nun als Krisenmanager gefragt. Am Montag wird ein Ermittlungsbericht der Welt-Antidopingagentur Wada veröffentlicht, der den IAAF-Sumpf vermessen wird.
Sicherheitshalber hat Coe eine IAAF-Feierstunde abgesagt: die World Athletics Awards Gala, auf der am 28. November in Monte Carlo die weltbesten Leichtathleten gekürt werden sollten. Es feiert sich nicht gut, wenn der Verband von solchen Erschütterungen heimgesucht wird.
Es musste mal wieder ein Neugieriger von außen kommen, um Ermittlungen anzustoßen, die Verbände selbst sind dazu offensichtlich nicht in der Lage. In diesem Fall war es der ARD-Journalist Hajo Seppelt, der mit [1][seiner Dokumentation über Doping in der russischen Leichtathletik] den Impuls zur Aufklärung gab. Die IAAF-Oberen versuchten damals die Ergebnisse zu bagatellisieren. Coe sprach sogar von einer „Kriegserklärung“ an die Leichtathletik.
Man versuchte den Überbringer schlechter Nachrichten zu desavouieren, dabei saßen die Feinde der Leichtathletik in der IAAF und diversen Landesverbänden: Diack soll während seiner Amtszeit gegen die Zahlung einer sechsstelligen Summe russische Dopingfälle vertuscht haben. Auch gegen Diacks Anwalt Habib Cisse wurde ein Verfahren eingeleitet. Gabriel Dolle, der ehemalige Antidopingdirektor der IAAF, wurde gleichfalls in Nizza inhaftiert. Das Trio ist mittlerweile auf Kaution frei. Belegt ist überdies, dass Diack in den 90er Jahren dreimal Zahlungen der Sportvermarktungsagentur ISL erhalten hat, jeweils fünfstellige Dollarbeträge.
Wie groß der Handlungsbedarf in der Leichtathletik ist, zeigt eine aktuelle Meldung, die, nun ja, aus Russland kommt. Der nationale Verband hat fünf Leichtathleten gesperrt, darunter Maria Konowalowa, Zweite des Chicago-Marathons 2010. Sie war im Frühjahr als Zweite des Nagoya-Marathons in 2:22:27 Stunden persönliche Bestzeit gelaufen. Mit 41 Jahren.
9 Nov 2015
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