taz.de -- CDU-Regionalkonferenz in Nordsachsen: Asylrecht steht kurz vor Verschärfung

Im Rekordtempo will die Bundesregierung das Asylrecht verschärfen. Die Kritik an Kanzlerin Merkel wächst – auch in den eigenen Reihen.
Bild: Wie steht es um ihre Zukunft? Auf einer CDU-Regionalkonferenz bläst der Kanzlerin der Wind scharf ins Gesicht

Berlin dpa | In der Union wird die Kritik an der Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel immer lauter. Bei einem Regionalkongress der CDU im nordsächsischen Schkeuditz wurde die Parteivorsitzende am Mittwochabend scharf attackiert. Mitglieder ostdeutscher CDU-Landesverbände warfen Merkel Versagen vor und warnten vor einer „nationalen Katastrophe“, sollte der Zuzug von Flüchtlingen nicht gestoppt werden. Unter dem Eindruck der wachsenden Probleme will der Bundestag an diesem Donnerstag eine Verschärfung des Asylrechts beschließen.

Das Asylpaket umfasst unter anderem die Einstufung von Albanien, Kosovo und Montenegro als sichere Herkunftsländer, die verstärkte Umstellung auf Sachleistungen für Asylbewerber, die Einschränkung von Leistungen für abgelehnte Bewerber – aber auch mehr Integrationskurse für Asylbewerber mit guten Aussichten auf ein Bleiberecht. Eine breite Zustimmung gilt nach der Bund-Länder-Einigung beim Flüchtlingsgipfel im Kanzleramt vor drei Wochen als sicher. Bereits am Freitag sollen die Änderungen den Bundesrat passieren.

Vor der Abstimmung gibt Merkel im Bundestag eine Regierungserklärung zum EU-Gipfel ab, der am Nachmittag in Brüssel beginnt. Darin dürfte sie erneut zur Flüchtlingspolitik in Deutschland und Europa Stellung nehmen. Parallel dazu gibt der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) im bayerischen Landtag eine Regierungserklärung zur Flüchtlingskrise ab. Seine zentrale Forderung ist eine Begrenzung der Zuwanderung. Dazu soll es auch Transitzonen für Flüchtlinge in Grenznähe geben.

Am Mittwochabend hatte die Kanzlerin ihre Linie noch einmal verteidigt: Das Recht auf Asyl und auf Schutz vor Bürgerkrieg und Verfolgung sei ein Recht, das prinzipiell jedem Menschen zustehe, sagte Merkel bei einer CDU-Zukunftskonferenz mit den Landesverbänden von Berlin, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen in Schkeuditz. Menschen mit Bleibeperspektive müsse auch eine Perspektive in Deutschland geboten werden.

Heftiger Widerspruch von der Basis

An der Basis stieß diese Argumentation auf heftigen Widerspruch. Weite Teile der Bevölkerung könnten Merkels „Wir schaffen das“ nicht mehr hören, sagte eines der knapp 1.000 anwesenden CDU-Mitglieder, darunter auch zahlreiche Amts- und Mandatsträger. In weiteren Wortmeldungen wurden die Grenzschließung oder eine Grundgesetzänderung gefordert. Auf einem Plakat war zu lesen: „Flüchtlingschaos stoppen – Deutsche Kultur + Werte erhalten – Merkel entthronen“.

In der Unionsfraktion hatte es bereits am Dienstag eine lebhafte Diskussion über die Flüchtlingspolitik gegeben. Der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach äußerte inzwischen ebenfalls Zweifel an der Flüchtlingspolitik Merkels. „Die Bundeskanzlerin genießt – nach wie vor – in der Bundestagsfraktion größtes Vertrauen. Allerdings fragen sich immer mehr Kolleginnen und Kollegen, ob wir schnellere Asylverfahren, eine angemessene Unterbringung und Betreuung der Flüchtlinge sowie deren Integration in Gesellschaft und Arbeitsmarkt erfolgreich schaffen, wenn der Zuwanderungsdruck in dem bisherigen Umfange anhält“, sagte Bosbach der Passauer Neuen Presse.

15 Oct 2015

TAGS

Schwerpunkt Angela Merkel
Asylrecht
CSU
Asylsuchende
CDU/CSU
Schwerpunkt Angela Merkel
Schwerpunkt Angela Merkel
Umfrage
Berlin
Schwerpunkt Flucht
Schwerpunkt Flucht
CDU
Schwerpunkt Flucht
Schwerpunkt Flucht
Flüchtlinge

ARTIKEL ZUM THEMA

Debatte Union und Flüchtlinge: Scheinbar liberal

Der CSU-Chef radikalisiert den Flüchtlingsdiskurs. Dagegen wirkt die Kanzlerin wie eine Liberale, die ein offenes Land verteidigt. Stimmt das?

Umfrage zur Bundestagswahl: Union pfui, Grüne hui

Erstmals seit 2012 fällt die Union in einer Umfrage zur Bundestagswahl auf 36 Prozent. Die Grünen hingegen legen zu.

ZDF-Politbarometer zur Flüchtlingspolitik: Her mit den Transitzonen

Laut ZDF-Umfrage sind mehr als zwei Drittel der Deutschen für Aufnahmezonen an den Grenzen. Nur ein Viertel spricht sich dagegen aus.

Neues Erfassungssystem für Asylsuchende: Alles neu, alles besser?

In einer neuen Registrierungsstelle für Asylsuchende in Berlin sollen Anträge schnell erledigt werden.

Kommentar Asylrechtsverschärfung: Der kurze Sommer der Utopie

Die Union ist wieder ganz bei sich: bloß nichts Fremdes, erst recht keine Fremden. Aber trotzdem – oder gerade deswegen – engagieren sich die Menschen.

Flüchtlingspolitik in Deutschland: 475 Stimmen für schärferes Asylrecht

Der Bundestag hat die Asylregeln verschärft und Asylverfahren beschleunigt. Seehofer forderte zuvor im Landtag Taten. Merkel blieb bei ihrem Kurs.

CDU-Zukunftskonferenz in Stade: Applaus für die Flüchtlingskanzlerin

Norddeutsche CDU-Mitglieder sparen mit Kritik an Merkels Flüchtlingspolitik. Besonders erfreut reagiert der Saal aber, wenn es um Abschiebungen geht.

Debatte um deutsche Flüchtlingspolitik: Alle gegen Merkel

CSU-Chef Horst Seehofer droht der Bundeskanzlerin nun mit Verfassungsklage, die AfD gar mit einer Strafanzeige. Selbst die SPD setzt sich ab.

Flüchtlingsdebatte in Deutschland: Die Rebellen von der CSU

Hans-Peter Friedrich will christliche Flüchtlinge getrennt unterbringen. Die Kirche bestärkt die Kanzlerin. Peter Tauber ist stolz auf Asylrechtsverschärfungen.

Asylrechtsdebatte im Bundestag: Was besser und was schlechter wird

Am 1. November soll das neue Gesetz zu schnelleren Abschiebungen in Kraft treten. Hier ein Überblick über wichtige Passagen des Entwurfes.