taz.de -- Boko Haram in Nigeria: Jeder Reiter ist mutmaßlich Terrorist

Weil die Terrorgruppe Boko Haram auf Pferde umsattelt, gilt im Norden Nigerias ein Reitverbot. Auch Esel und Kamele sind betroffen.
Bild: Das Pferdefestival Durbar findet am Ende des Fastenmonats Ramadan in der Wirtschaftsmetropole Kano statt

Cotonou taz | Offenbar hat die Terrormiliz Boko Haram ihre Taktik geändert. Seit ein paar Wochen reiten die Kämpfer auf Pferden zu ihren Anschlagsorten. Davon betroffen sind entlegene Orte im Bundesstaat Borno im äußersten Nordosten Nigerias. Allein Ende August starben mindestens 70 Menschen bei Überfällen auf drei Dörfer. Sie alle liegen weit weg von der Provinzhauptstadt Maiduguri. Und dort wie in der Stadt Monguno starben am vergangenen Sonntag mehr als 100 Menschen bei Explosionen, die Boko Haram zugeschrieben werden.

In Borno soll die neue Strategie nachhaltig bekämpft werden. Deshalb müssen Pferde, Esel und Kamele angepflockt vorm Haus bleiben. Denn dort hat das Militär ein Reitverbot ausgesprochen. „Die Benutzung von Pferden ist verboten“, verkündete der Armeesprecher für die Provinz, Tukur Gusau. Jeder, der zu Pferde unterwegs ist, könne nun als mutmaßlicher Terrorist gelten.

Getroffen wurde die Entscheidung gemeinsam mit der Landesregierung sowie traditionellen Herrschern. Das zunächst nur für das Reiten von Pferden geltende Verbot wurde inzwischen auch auf Esel und Kamele ausgedehnt.

Boko Haram hat wohl aus zwei Gründen umgesattelt. Gerade Waldgebiete sind mit Pferden gut passierbar. Ein weiteres Problem dürften auch die sinkenden Benzinvorräte der Terrorgruppe sein. Das Militär hatte in den vergangenen Wochen die Zufuhr von Benzin, Lebensmitteln, Waffen und Fahrzeugen gekappt.

Neu sind solche Verbote nicht. In den vergangenen Jahren haben immer mehr Städte die Okadas genannten Mopedtaxen verboten. Terroristen waren häufig auf diesen zu Anschlagszielen gefahren und danach schnell mit ihnen geflüchtet. Die Anschlagsgefahr hat das Verbot aber nicht eingedämmt, sondern nur die Zahl der Keke Napep genannten motorisierten Dreiräder zunehmen lassen. Sie sind viel langsamer als Mopeds, eignen sich nicht zur Flucht und fahren oft auf festgelegten Routen.

Verbot -> Arbeitslosigkeit -> Boko Haram

Mit dem Okada-Verbot wurden Hunderttausende junge Männer arbeitslos. Umschulungsprogramme oder staatliche Unterstützung gibt es für sie nicht. Arbeits- und Perspektivlosigkeit gilt gerade im Nordosten Nigerias als Grund für Boko Harams Zulauf.

Vor allem im Norden sind Pferde weit verbreitet. Sie werden zum Transport genutzt, sind aber auch Statussymbole und werden bei Festen und Paraden eingesetzt. Am bekanntesten ist die Durbar – das Pferdefestival – der Wirtschaftsmetropole Kano, die am Ende des Fastenmonats Ramadan stattfindet. In allen größeren Städten gibt es zudem Poloklubs, die ihren Ursprung in der britischen Kolonialzeit haben und ein Treffpunkt der Oberschicht sind.

In den letzten Tagen hat die Armee nach eigenen Angaben rund 240 Frauen und Kinder aus der Gewalt von Boko Haram befreit. Zudem seien 40 mutmaßliche Kämpfer festgenommen worden.

25 Sep 2015

AUTOREN

Katrin Gänsler

TAGS

Nigeria
Boko Haram
Terrorismus
Pferde
Burkina Faso
Nigeria
Tschad
Muhammadu Buhari
Nigeria
Schwerpunkt Kongo-Kriegsverbrecherprozess
Nigeria
Boko Haram
Schwerpunkt Flucht
Nigeria

ARTIKEL ZUM THEMA

Burkina Faso verhängt Ausfuhrstopp: In China essen sie Esel

Esel sind die neueste Delikatesse in China. Deswegen werden sie in Westafrika knapp. Jetzt schlägt Burkina Faso zurück.

Boko-Haram in Nigeria: Selbstmord im Gotteshaus

Fast 60 Menschen sterben bei Anschlägen auf Moscheen in Nigeria. Boko-Haram-Kämpfer erobern zudem kurzzeitig eine Stadt im Norden Kameruns.

Gewalt im Tschad: Mindestens 41 Tote bei Anschlägen

Am Samstag explodierten auf einem Markt und in einem von Nigerianern bewohnten Viertel der Stadt Baga Sola Sprengsätze. Die Behörden sagen, das war Boko Haram.

Kabinettsbildung in Nigeria: Neue Gesichter für die Regierung

Präsident Buhari hat die Nominierungen für seine Regierungsmitglieder bekanntgegeben. Verteilt sind die Posten aber noch lange nicht.

Neues Kabinett in Nigeria: Die starke Hand von Buhari

Seit der Ex-Militäroffizier an der Macht ist, läuft der Strom zuverlässiger in Nigeria. Mit der Ämtervergabe hat er es jedoch nicht eilig.

318. Tag FDLR-Kriegsverbrecherprozess: Zum Abschluss Tränen

Das Schlusswort des 1. FDLR-Vizepräsidenten Straton Musoni verbindet Erinnerungen mit Rechtfertigungen. Er hat nichts falsch gemacht, sagt er.

Terroranschläge in Nigeria: Überfallartige Angriffe

Bei Anschlägen in Nigeria sterben mehr als 50 Menschen. Verantwortlich ist vermutlich einmal mehr die Terrorgruppe Boko Haram.

Terror von Boko Haram: 1,4 Millionen Kinder auf der Flucht

Nach UN-Angaben ist die Zahl der Kinder, die vor den Islamisten geflohen sind, um 500.000 gestiegen. Unicef fehlt Geld für humanitäre Hilfe am Tschadsee.

Flüchtling über deutsche Waffenindustrie: „Ihre Fabriken verursachen Flucht“

Rex Osa floh aus Nigeria. Am Bodensee demonstriert er gegen die hiesige Rüstungsindustrie. Deren Waffen unterstützten das Regime.

Anschlag in Nigeria: Dutzende Tote und Verletzte

Bei einem Anschlag auf einen Markt sterben mehr als 40 Menschen. Behörden und Milizen lasten die Tat den Dschihadisten der Boko Haram an.