taz.de -- Maritime Wirtschaft will Geld: Saubere Schiffe mit Staatsknete
Maritime Verbände fordern millionenschwere Subventionen für den Umstieg auf umweltfreundlichen Treibstoff. Flüssiggas sei ökologisch, aber zu teuer.
HAMBURG taz | Lang ist er, der Wunschkatalog der maritimen Wirtschaft, und teuer obendrein. 15 Millionen Euro pro Schiff solle die Bundesregierung zuschießen, damit Reeder den umweltfreundlichen Treibstoff Flüssigerdgas (LNG) einsetzen.
„Ohne ein breites Förderprogramm für den Um- und Neubau LNG-betriebener Schiffe werden sich die Barrieren für den Markteintritt nicht abbauen lassen“, formuliert im schönsten Ökonomendeutsch Ralf Nagel, Geschäftsführer des Verbands deutscher Reeder (VDR) in Hamburg. Denn Schiffe, die mit Flüssiggas fahren können, seien wegen spezieller Motoren und neuartiger Technik bis zu 25 Prozent teurer, so Nagel.
Und deshalb stellen sich der VDR, der Verband für Schiffbau und Meerestechnik, der Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe, der Zentralverband Deutscher Schiffsmakler und die Maritime LNG-Plattform in einem am Donnerstag vorgestellten gemeinsamen Papier drei Instrumente vor: eine Innovationsoffensive, ein Förderprogramm für die Ausrüstung von Schiffen mit LNG-Antrieb sowie einheitliche rechtliche Standards in den Häfen.
Kreuzfahrtreederei als Vorreiter
LNG habe „großes Potenzial, um die Belastung durch Schwefel, Feinstäube und Stickoxide in küstennahen Regionen und Hafenstädten deutlich zu senken“, sagte Georg Ehrmann, Geschäftsführer der Maritimen LNG Plattform, einem branchenübergreifenden Bündnis von mehr als 70 nationalen und internationalen Unternehmen, Verbänden und Häfen.
Die Nutzung von LNG biete „nicht nur höheren Umweltschutz, sondern große Chancen für zusätzliche Wertschöpfung und hochwertige Arbeitsplätze“. Die Mehrkosten ließen sich dennoch im Schiffsbetrieb nicht refinanzieren, so Nagel: „An diesem harten wirtschaftlichen Fakt kommen wir nicht vorbei.“
Allerdings hatte Deutschlands größte Kreuzfahrtreederei Aida kürzlich angekündigt, die weltweit ersten Luxusliner mit LNG-Antrieb zum Stückpreis von gut 500 Millionen Euro bei der Meyer-Werft im emsländischen Papenburg bauen zu lassen. Aida-Umweltdirektorin Monika Griefahn sieht ihre Reederei mit diesem „Green-Cruising-Konzept“ als Vorreiter in der Branche. Schließlich lebe der Kreuzfahrttourismus „von sauberer Umwelt und sauberen Meeren“.
Lob dafür bekam sie sogar vom Naturschutzbund (Nabu). „Unser jahrelanger Einsatz für saubere Schiffe zeigt Wirkung“, sagt Nabu-Schifffahrtsexperte Malte Siegert. „Die LNG-Schiffe sind ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.“ Dadurch würde die gesamte Branche unter Druck gesetzt, sich stärker im Umweltschutz zu engagieren, hofft er.
LNG-Tankstellen lohnen sich nicht immer
Seit Mitte Juni verkehrt bereits die erste Flüssiggas-Fähre auf der Nordsee. Die „Ostfriesland“ pendelt zwischen Emden und Borkum. Fähren eignen sich besonders gut für LNG, weil sie immer denselben Weg fahren und deshalb in beiden Häfen betankt werden können. Denn ein Problem ist die Versorgung. LNG-Tankstellen lohnen sich erst bei hoher Nachfrage, sagen die Energiekonzerne.
Außerdem stellt der neue Treibstoff Behörden vor neue Probleme: An den Genehmigungsverfahren sind bis zu 23 amtliche Stellen beteiligt, was die Prozedur in die Länge zieht. Notwendig seien deshalb beschleunigte Zulassungsverfahren nach einem festen Muster, fordert die LNG-Plattform. Zudem solle die öffentliche Hand, die rund 700 Schiffe betreibe, verstärkt in LNG-Schiffe investieren, zum Beispiel bei Zollschiffen und der Wasserschutzpolizei.
„Das Betanken von LNG-Schiffen muss auch in deutschen Häfen selbstverständlich werden“, fordert Alexander Geisler, Geschäftsführer des Zentralverbands Deutscher Schiffsmakler. „Dafür brauchen wir einheitliche Standards in den Seehäfen für den Umgang mit LNG.“
27 Aug 2015
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Viele der 1,9 Millionen Seeleute weltweit sind Ukrainer oder Russen – der Krieg stürzt sie in eine Krise. Vor allem die Frachtschifffahrt leidet.
Die Bundesregierung entlastet Reeder und investiert in Infrastruktur für Häfen. Auch der Tiefseebergbau soll gefördert werden.
Die Nationale Maritime Konferenz droht im Kleinklein zu versinken. Eine maritime Strategie für Deutschlands Häfen ist noch nicht in Sicht
Vor der Maritimen Konferenz in Bremerhaven legt die Bundesregierung einen dürftigen Bericht vor. Die Gesamtstrategie fehlt.
Monika Griefahn, Umweltdirektorin bei Aida, über das Erfolgsrezept für die Versöhnung von Ökonomie und Ökologie an Bord.
Die norddeutschen Bundesländer wollen die Küsten von Nord und Ostsee besser vor Verunreinigungen durch Paraffinrückstände aus Tankschiffen schützen.