taz.de -- Entlaufener Hund Flecki: Ein anständiges Flüchtlingsschicksal

Das Schicksal von Mischlingshund Flecki rührt die Medien, Experten und selbsternannte Helfer. Na bitte! Ist halt auch kein Mensch, der Flecki.
Bild: Hach, Flecki, was hast du die Herzen der Menschen bewegt.

Nach einer Odyssee von zwölf Tagen ist Flecki wieder mit seinen Besitzern vereint. Auch uns fällt ein Stein vom Herzen, so groß, dass er hoffentlich niemanden erschlagen wird. Denn bei Flecki handelt es sich um einen früher misshandelten und entsprechend hilfsbedürftigen Mischlingshund, der von einem gutwilligen Paar aus Rheinland-Pfalz in einem kroatischen Tierheim erworben wurde.

Auf der Heimfahrt aus dem Urlaub entwischte das furchtsame Tier während einer Pinkelpause am 20. Juli auf einem Rastplatz bei Ulm seinen Besitzern – die fortan in ihrem BMW-Cabrio auf Flecki warteten. Eine Suchmeldung auf Facebook lockte nicht den Hund, wohl aber die Medien an. Schließlich ist das Sommerloch ein gefürchtetes Nachrichtenvakuum, in das sich besonders „weiche“ und menschelnde Nachrichten gerne bis zur Monstrosität ausdehnen.

Und so wurde das campierende Paar mit Kaffee und Decken und Aufmerksamkeit versorgt, während besorgte Tierfreunde das unwirtliche Umland nach Flecki durchstreiften – und so das Tier mutmaßlich immer weiter verscheuchten. Erst professionelle Tierfänger und der Zufall sorgten nun dafür, dass das Märchen ein gutes Ende nimmt. Sat.1, Bild oder auch FAZ berichteten ohne Unterlass, die Anteilnahme der Öffentlichkeit kannte kaum Grenzen.

So irrten selbsternannte HelferInnen schreiend durch die Nacht, durchkämmten ganze Kerle auf geländegängigen Motorrädern die Wälder. Tierpsychologen analysierten, Experten brachten Thermoscanner und Nachtsichtgeräte. Und wäre nicht gerade Sommerpause, wäre das Drama sicher Thema der Talkshows von Markus Lanz oder Anne Will geworden: „Flecki, wo bist du?“

Dabei ist die Herkunft von Flecki ebenso ungeklärt wie seine Vergangenheit. Es könnte sich auch um einen Wirtschaftsflüchtling handeln, aufgegriffen überdies in Kroatien – eindeutig ein „sicherer Drittstaat“. Unklar auch, ob Flecki beabsichtigt, seine Familie nachzuholen. Gerührt hat uns umso mehr die menschliche Beharrlichkeit der Besitzer, die ihre bajuwarische Wohlstandsschaukel kurzerhand zum mobilen Tier- und Flüchtlingsheim umfunktionierten.

Na bitte. Uns Deutschen geht ein anständiges Flüchtlingsschicksal durchaus zu Herzen. Glückwunsch auch von dieser Stelle an Flecki. Dafür, dass er kein Mensch ist.

2 Aug 2015

AUTOREN

Arno Frank

TAGS

Hund
Kroatien
Beerdigung
Lausitz
Ungarn

ARTIKEL ZUM THEMA

Jungliberaler über Bestattungen: „Freiheit von Anfang bis Ende“

Die sächsischen Jung-FDPler fordern die Abschaffung des Friedhofzwangs. Und sie haben noch mehr Ideen, um das Sommerloch zu füllen.

Auf der Fährte von Fuchs und Wolf: Wer wirft die Grünspechtkacke?

Vor dem Sesshaftwerden waren die Menschen darauf angewiesen, die Zeichen der Tiere zu erkennen. Ein Besuch in einer Wildnisschule.

Spielfilm „Underdog“ aus Ungarn: Das Straßenleben der Hunde

Viel mehr als eine Parabel auf das xenophobe Ungarn der Gegenwart: „Underdog“ von Kornél Mundruczó schaut einem tierischen Aufstand zu.