taz.de -- Kommentar Beziehungen zur Türkei: Mehr als Erdoğan
Die Außenpolitik des türkischen Präsidenten hat vielerorts verbrannte Erde hinterlassen. Doch die Türkei besteht nicht nur aus Recep Tayyip Erdoğan.
Um die offiziellen deutsch-türkischen Beziehungen steht es schon länger nicht zum Besten. Obwohl beide Länder wichtige Handelspartner sind und mehr als 4.000 deutsche Firmen Niederlassungen am Bosporus haben, hegen die Regierungen tiefe Abneigung gegeneinander. Recep Tayyip Erdoğan hat Angela Merkel lange verübelt, dass sie den Beitrittsprozess der Türkei in die EU (gemeinsam mit dem damaligen französischen Präsidenten Sarkozy) auf Eis gelegt hat; und Merkel kann mit dem Macho Erdoğan, der die Türken in Deutschland für sich instrumentalisiert, nichts anfangen.
Damit aus dem schlechten Verhältnis kein offen feindseliges wird, hat man sich auf symbolische Gesten und ein funktionierendes System institutionellen Austausches auf Bürokratenebene verlegt. Eine dieser symbolischen Gesten war die Stationierung deutscher Patriot-Raketen-Abwehrsysteme an der Grenze zu Syrien. Es gab nie eine wirkliche Bedrohung der Türkei durch Assads Raketen, aber man signalisierte, dass man die Türkei mit den vielfältigen realen Bedrohungen durch den Bürgerkrieg in Syrien nicht alleinlässt.
Dieses Symbol wird jetzt zurückgenommen, um Erdoğan zu zeigen, dass man seine Syrien-Politik missbilligt. Die Flucht eines umstrittenen Staatsanwalts nach Deutschland und sein mögliches Auslieferungsverfahren hat darüber hinaus das Potenzial, auch die institutionelle Zusammenarbeit schwer zu belasten.
Es ist wahr, Erdoğans Außenpolitik der letzten Jahre hat vielerorts verbrannte Erde hinterlassen. Doch die Türkei besteht nicht nur aus ihrem Präsidenten. Millionen Menschen in Deutschland und in der Türkei haben enge Kontakte miteinander. Diese Menschen sind auf einigermaßen normale Beziehungen zwischen beiden Ländern angewiesen. Bei aller berechtigter Kritik an Erdoğan: Ein Bruch mit der Türkei hätte für viele Bürger schlimmere Auswirkungen als für die türkische Regierung.
16 Aug 2015
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