taz.de -- Rumänische Wanderarbeiter in Berlin: Noch ein Sieg vor Arbeitsgericht
Auch der Wortführer der rumänischen Bauarbeiter gewinnt seinen Prozess in Sachen Mall of Berlin.
Bei den Protesten vor der „Mall of Berlin“ war Elvis Iancu der Wortführer. „Pay the workers! Mall of of Shame“ – der 46-Jährige nahm kein Blatt vor den Mund, wenn er die Ausbeutung der rumänischen Wanderarbeiter anprangerte. Am Donnerstag kämpfte Iancu vor dem Arbeitsgericht in eigener Sache und – gewann. Die Openmallmaster GmbH wurde verurteilt, dem Mann 6.700 Euro Lohn nachzuzahlen. Es ist das dritte Mal, dass um ihren Lohn geprellte rumänische Bauarbeiter vom Arbeitsgericht Recht bekommen haben. Neun Prozesse stehen noch an.
Hinter den Kulissen
Die Mall of Berlin war im September 2014 eröffnet worden. Wie es hinter den Kulissen zuging, kommt nun scheibchenweise ans Licht. Die beklagte Openmallmaster GmbH war ein für den Bau der Anlage angeheuertes Subunternehmen.
Elvis Iancu hat in seiner Klageschrift vorgetragen, er sei vom 28. Juli bis zum 21. Oktober 2014 auf der Baustelle beschäftigt gewesen. Zusammen mit anderen rumänischen Bauarbeitern habe ihn ein gewisser Sascha P. eingestellt. In Dreier- und Vierergruppen habe ihnen „Sascha“ Arbeiten zugeteilt, erzählte Iancu am Donnerstag auf Nachfrage von Arbeitsrichter Andreas Hünecke. Eine Dometscherin übersetzte ins Deutsche.
„Sascha“ – diesen Namen nannte Iancu immer wieder. „Sascha“, selbst Rumäne, habe auf der Baustelle auch als Dolmetscher fungiert. „Sascha“ habe ihnen Arbeitspapiere versprochen, die sie aber nie bekommen hätten, so Iancu. „Sascha“ habe dafür gesorgt, dass sie sich jeden Tag bei Arbeitsantritt in eine Liste hätten eintragen müssen. Auf Geheiß von „Sascha“ hätten sie an einem Sicherheitscheckpoint stets die Firma Openmallmaster als Arbeitsgebern angegeben. 670 Stunden Arbeit habe er als Reinungskraft, Transporthelfer und Trockenbauer abgeleistet, berichtete Iancu. 700 Euro habe er am Ende ausbezahlt bekommen. Bei einem vereinbarten Mindestlohn von 11,10 Euro pro Stunde stünden ihm noch 6.700 Euro zu.
Das Arbeitsgericht gab der Lohnklage am Donnerstag statt. Wie in den ersten beiden Verfahren bestätigte das Gericht ein bereits gegen die Openmallmaster erlassenes Versäumnisurteil. Das war im April ergangen, weil das verklagte Bauunternehmen zu einem Gütetermin nicht erschienen war. Gegen dieses Versäumnisurteil hatte Openmallmaster zwar fristgerecht Einspruch erhoben, die Begründung aber später nachgereicht, im Fall von Iancu am 3. August.
Nichts Schriftliches
Die Begründung, mit der der Rechtsvertreter von Openmallmaster die Abweisung der Klage beantragt hatte, überzeugte Richter Hünecke offenbar nicht. Wie in den Verfahren gegen zwei Kollegen Iancus hatte der Anwalt der Firma moniert, dass die Kläger in Berlin keine feste Wohnanschrift hätten. Als Postanschrift war in allen Fällen die Adresse der Gewerkschaft der Freien Arbeiter und Arbeiterinnen Union (FAU) angegeben worden. Außerdem sei nicht bewiesen, dass Iancu bei Openmallmaster beschäftigt war, so der Anwalt. Denn: „Es gibt nichts Schriftliches“. Hunderte von Subunternehmen seien bei der Mall tätig gewesen. Gegen das Urteil kann Openmallmaster Berufung einlegen.
Aktenzeichen: 57ca 3762/15
13 Aug 2015
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Rumänische Arbeiter wurden beim Bau der Mall of Berlin um ihren Lohn geprellt. Monika Fijarczyk über Folgen des Urteils des Bundesarbeitsgerichts.
Harald Huth hat den Einzelhandel in Berlin mit seinen Malls verändert. Wer ist der öffentlichkeitsscheue Investor? Eine Spurensuche.
Ein Arbeiter der Baustelle für die „Mall of Berlin“ verliert in zweiter Instanz. Im ersten Prozess waren ihm rund 7.000 Euro zugesprochen worden.
Ein Mitarbeiter wird von der Lebenshilfe in Frankfurt am Main gekündigt. Angeblich weil er sich gewerkschaftlich engagiert habe.
Zwei Bauarbeiter der „Mall of Berlin“ haben den Prozess um ausstehende Löhne gegen die Baufirma verloren.
Nachdem Bauarbeiter der „Mall of Berlin“ erfolgreich ihren Lohn einklagten, will Investor Harald Huth bei einer Mall in Moabit auf Generalunternehmer verzichten.
Zwei rumänische Arbeiter erhalten doch noch ihren Lohn für ihre Arbeit auf der Baustelle des Shopping-Centers. Das ist ein Anfang, mehr nicht.
Elvis Iancu hat die Mall of Berlin mitgebaut. Doch Lohn habe er nie bekommen, sagt er. Der 45-Jährige klagt deswegen, wie neun andere. Heute könnten erste Urteile fallen.