taz.de -- Die Wahrheit: Der homosexuelle Mann ...

... ist derzeit unfreiwillig schwer damit beschäftigt, sich zu legitimieren. Und kriegt dabei auch noch eklige Schützenhilfe.

… wird aktuell ganz schön gefordert. Heiraten will er, Kinder adoptieren, die völlige Gleichstellung, in die Mitte der Gesellschaft. Dafür muss er was tun. Den Menschen beibringen, wie normal er ist, ein guter Vater und familientauglich. Und dass er nichts kann für seine Anomalie, wurde er doch so geboren. Wieder einmal bleibt die komplette Aufklärung an ihm hängen, die Heteronormativen lassen sich bedienen und die ganze Überzeugungsarbeit über sich ergehen. So war es schon immer, so ist es auch heute wieder.

Bis auf ein paar Tapfere auf der anderen Seite, die sich eigene Gedanken machen und nach originellen Erklärungen suchen für das sexuell Fremde, das Unaussprechliche. Wie zum Beispiel der „Bund Katholischer Ärzte“ (BKÄ), ein Mediziner-Zusammenschluss, der bundesweit agiert. Einen „Arbeitskreis Homosexualität“ haben sie gebildet, um aktuelle Antworten auf altbekannte Fragen auszutauschen: Woher kommt’s? ist eine davon, und die gläubigen Ärzte scheuen vor keiner Wahrheit zurück: Eine „epigenetische Vererbung (zum Beispiel von syphilitischer Belastung)“ könnte eine Ursache der Homosexualität sein. Oder frühkindliche oder familiäre oder sonstige Störungen. Was man halt so sagt, wenn man nix weiß.

Und – das ist das Schöne – man kann die Homosexualität auch wieder wegmachen, heilen. Nicht umpolen lautet dabei die Devise, schließlich will man keines der potenziellen Opfer abschrecken, nein, „Umkehr ermöglichen“ heißt die Zauberformel. Der Arzt soll sich darum kümmern, dass der „Leidende“ durch Selbstheilungskräfte wieder aufs „richtige Gleis“ kommt.

Aber – und das betonen die Scharlatane immer wieder – „niemand soll beleidigt, diskriminiert, stigmatisiert, verurteilt, geoutet werden.“ Stattdessen möge man doch „freundlich und aufmerksam gegenüber Homosexuellen sein“, denn „ihre Hilferufe sind herauszuhören“. Hat man die Schreie dann vernommen, muss man helfen, heilen. Am einfachsten geht es mit homöopathischen Mitteln, zwischen dem „Entgiften“ und der „speziellen Therapie des eigentlichen Übels“ liegen nur ein paar Tropfen und Kügelchen.

Selbstverständlich sind die katholischen Wunderheiler nicht unumstritten, auf dem Katholikentag 2012 durften sie zwar ihre Botschaft verbreiten, wurden aber nach deutlichen Besucher-Protesten gerügt, ihre Meinung sei nicht vereinbar mit der offiziellen Kirchenlehre zum Thema. Dessen ungeachtet traten zwei BKÄ-Vertreter unlängst in einem Arte-Film auf und erläuterten gestenreich ihren Heilungsauftrag.

BKÄ-Chef Gero Winkelmann schonte dabei nichts und niemanden, die drastischen Folgen der Homosexualität zu benennen: „Die sexuelle Praktik kann so weit führen, dass derjenige den After nicht mehr schließen kann, dass er inkontinent wird.“ Dabei führte er seinen rechten Zeigefinger durch ein Loch, geformt vom linken Zeigefinger und linken Daumen. „Die Leute stinken und müssen mit einer Windel rumlaufen.“ Pardauz! Da habe selbst ich gestaunt. Man lernt doch immer noch dazu.

28 Jul 2015

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Kraushaar

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