taz.de -- NSU-Prozess in München: Die Verteidigung will nicht mehr
Die drei bisherigen Verteidiger von Beate Zschäpe haben überraschend die Entbindung von ihrem Pflichtmandat beantragt. Ob dem stattgegeben wird, ist unklar.
München afp/dpa/rtr | Im NSU-Prozess haben die bisherigen drei Pflichtverteidiger von Beate Zschäpe am Montag die Entpflichtung von ihrem Mandat beantragt. Das Oberlandesgericht München unterbrach daraufhin vorläufig die Sitzung, wie eine Gerichtssprecherin mitteilte. Wann mit einer Entscheidung gerechnet werden kann, sei noch offen.
Zschäpe wird seit dem ersten Prozesstag im Mai 2013 von Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm vertreten. Das Verhältnis Zschäpes mit diesen Verteidigern gilt seit langem als belastet, Zschäpe hatte bereits vor einem Jahr deren Entbindung beantragt.
Er habe sich diesen Schritt „weidlich überlegt“, sagte Heer. Er sei sich darüber im Klaren, dass der Prozess damit neu begonnen werden müsste. Das OLG München ließ kürzlich den Münchner Anwalt Mathias Grasel als vierten Pflichtverteidiger zu.
Die Sprecherin des Oberlandesgerichts München, Andrea Titz, sagte, für eine Entpflichtung sei auch dann eine detaillierte Begründung notwendig, wenn die Verteidiger diese selbst beantragen. Allein die kürzlich erfolgte Berufung Grasels zum weiteren Pflichtverteidiger reiche nicht zur Begründung.
Vertrauensbruch angeblich unbegründet
Titz verwies darauf, dass das Gericht sowohl vor einem Jahr Zschäpes Antrag auf Entbindung aller drei Verteidiger als auch vor wenigen Wochen den Antrag auf Entbindung von Verteidigerin Anja Sturm zurückgewiesen habe. In der damaligen Entscheidung hatten die drei Verteidiger noch schriftlich Zschäpes Hinweise auf einen Vertrauensbruch als unbegründet zurückgewiesen.
Der Strafprozess gegen Zschäpe und vier mutmaßliche Helfer der Gruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) zählt zu den spektakulärsten und umfangreichsten der bundesdeutschen Geschichte.
Die heute 40-Jährige soll laut Anklage mitverantwortlich sein für die Ermordung von zehn Menschen überwiegend türkischer Abstammung sowie für zwei Bombenanschläge und 15 Raubüberfälle in den Jahren 2000 bis 2011.
20 Jul 2015
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
In fünf Fällen vermutet die Staatsanwaltschaft, dass Zeugen falsche Angaben im NSU-Prozess machten. Vorermittlungen wurden aufgenommen.
Keinen seiner Aufträge konnte der Stuttgarter NSU-Untersuchungsausschuss bisher erfüllen. Trotzdem hat das Gremium wichtige Arbeit geleistet.
Beate Zschäpe sucht im NSU-Prozess die Eskalation: Jetzt hat sie ihre Pflichtverteidiger angezeigt – in der Hoffnung, sie doch noch loszuwerden.
Weder Beate Zschäpe noch ihre Verteidiger wollen in dieser Konstellation weiterarbeiten. Sie müssen es aber. Das nutzt derzeit nur der Angeklagten.
Die Richter lehnen die Abberufung der Anwälte im NSU-Prozess ab. Das Verhältnis zwischen Anwälten und Angeklagter könnte kaum schlechter sein.
Während der NSU-Komplex genau untersucht wird, sind Nazis etabliert wie nie. Sie fallen wenig auf, übernehmen zunehmend öffentliche Ämter.
Zschäpes neuer Anwalt hält sich zurück. Dafür sorgt eine Zeugin für Aufsehen: Sie will Zschäpe mit einem kleinen Kind gesehen haben.
Der Prozess steht vor einer Wende: Mit ihrem neuen Verteidiger Mathias Grasel könnte Zschäpe doch noch ihr Schweigen brechen.
Beate Zschäpe will den NSU-Prozess gegen sich so gut wie möglich stören. Wahrscheinlich hofft sie, dass ihr neuer Anwalt besser steuerbar ist.
Mathias Grasel wird ein weiterer Pflichtverteidiger von Beate Zschäpe. Dieser will sich bei seiner Aufgabe noch von einem weiteren Strafverteidiger unterstützen lassen.