taz.de -- Kommentar Griechenlands Reformpaket: Tsipras hat kapituliert

Die Reformliste macht keine Hoffnung. Sie ist eine Kopie der harten Maßnahmen, die die Troika Athen schon im Juni aufdrücken wollte.
Bild: Das Referendum hat nichts gebracht: Griechenlands Regierungschef Alexis Tsipras geht auf die Gläubiger zu

Die griechische Regierung hat geliefert. Am Donnerstag um 22.10 Uhr bestätigte Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem den Eingang des Athener Sparpakets – knapp zwei Stunden vor Ablauf des Ultimatums aus Brüssel. Damit wurde die Frist eingehalten. EU-Kommissionschef Juncker muss [1][seine Drohung mit dem Grexit] – also dem Rauswurf aus dem Euro – nicht sofort in die Tat umsetzen.

Doch das ist auch ungefähr das einzig Gute, was sich an diesem Tag sagen lässt. [2][Die 13-seitige Reform- und Streichliste] selbst macht wenig Hoffnung. Sie ist, wenn nicht alles täuscht, eine Kopie der harschen neoliberalen Maßnahmen, die die Troika Athen schon Ende Juni aufoktroyieren wollte. Premier Tsipras hat letztendlich kapituliert, [3][das Referendum gegen die Austerität] hat nichts gebracht.

Das Schlimmste dabei sind nicht einmal die unverständlichen Rückzieher in alten Streitfragen, etwa bei den Renten oder der Mehrwertsteuer. Das Fatale ist, dass Tsipras den Sparkurs sogar noch verschärft. Er geht damit über die Zielvorgaben hinaus, die Anfang Juni bei einem Troika-Treffen im Berliner Kanzleramt formuliert worden waren. Diese Vorgaben verdammen Griechenland nämlich zu wirtschaftlich völlig unsinnigen Sparprogrammen.

Der Primärüberschuss soll wie von Kanzlerin Merkel und den Gläubigern vorgeschrieben von 1,0 Prozent in diesem Jahr auf erst 2,0, dann 3,0 und 2018 sogar 3,5 Prozent ansteigen. Und das, nachdem von Brüssel und Frankfurt erzwungene Kapitalkontrollen und Bankenschließungen die griechische Wirtschaft zuletzt fast stranguliert hätten. Auf die finanzielle Erpressung folgt ein Crash-Programm.

Grexit ist nicht vom Tisch

Ein wenig abmildern ließen sich die Folgen nur, wenn Griechenland nun sofort vom Schuldendienst befreit, mit einer kurzfristigen Finanzspritze aufgepäppelt und mit einem echten Wachstumsprogramm unterstützt würde. Das ist der Deal, auf den Tsipras nun hofft. Doch nichts davon zeichnet sich ab. Jetzt haben erst einmal die Hardliner der Eurogruppe das Wort. Sie könnten die Konditionen weiter verschärfen oder doch noch den Daumen über Tsipras senken. Der Grexit ist nicht vom Tisch.

Immerhin liegt der Ball nun wieder auf der anderen Seite des Felds – in Brüssel und Berlin. In Berlin muss Kanzlerin Merkel beweisen, dass sie es ernst meint und sich bei den Schulden bewegt. Und in Brüssel müssen Kompromissbereite wie Frankreichs Präsident Hollande versuchen, ein neues Foul der Gläubiger zu verhindern. Harte Sparmaßnahmen gegen großzügige, auch kurzfristige Finanzhilfen und Erleichterungen bei den Schulden – das ist die letzte Hoffnung für Tsipras, aber auch für Europa.

10 Jul 2015

LINKS

[1] /Frist-fuer-Griechenland/!5211006/
[2] /Schuldenstreit-mit-Griechenland/!5211780/
[3] /Referendum-in-Griechenland/!5210098/

AUTOREN

Eric Bonse

TAGS

Griechenland
Schwerpunkt Krise in Griechenland
Schulden
staatenlos
Griechenland
Schwerpunkt Angela Merkel
Griechenland
Schwerpunkt Krise in Griechenland
Schwerpunkt Krise in Griechenland
Schwerpunkt Krise in Griechenland
Griechenland
Schwerpunkt Krise in Griechenland
Schwerpunkt Krise in Griechenland
Schwerpunkt Krise in Griechenland

ARTIKEL ZUM THEMA

Aus „Le Monde diplomatique“: Rettung für verlorene Bürger

In New York bietet eine ID-Card Papierlosen Zugang zu öffentlichen Einrichtungen und Jobs. Das könnte ein Vorbild für die Weltgemeinschaft sein.

Wahl zum Chef der Eurogruppe: Es bleibt alles beim Alten

Jeroen Dijsselbloem wurde erneut zum Eurogruppenchef ernannt. In Athen demonstrieren Staatsbedienstete gegen die Sparpolitik und rufen zum Streik auf.

Angela Merkel und Griechenland: Gegen das Bauchgefühl der Deutschen

Die Kanzlerin steht vor einem historischen Moment. Ändert sie ihren Kurs? Der Verbleib Griechenlands im Euro, Merkel muss ihn nur wollen.

Kommentar Umgang mit Griechenland: Deutsch und irrational

Keynesianer haben jahrelang vor der Austeritätspolitik gewarnt. Aber in Deutschland regiert das Ressentiment der Volksparteien.

Sparvorschläge für Griechenland: Brüssels Wunschpapier

Die Sparvorschläge von Griechenlands Premier Tsipras sorgen in seiner eigenen Partei für Ärger. Nun versucht er, die Parteifreunde umzustimmen.

Griechenlands Reformvorschläge: Grexit nicht ausgeschlossen

Ist mit den griechischen Sparvorschlägen die Krise abgewendet? Wohl kaum. Nun muss die Eurogruppe handeln. Die wichtigsten Fakten.

Wutrede im EU-Parlament: Ausbruch mit Geschmäckle

Der belgische Abgeordnete Guy Verhofstadt greift Tsipras an und begeistert die Netzgemeinde. Doch seine Kritik ist verlogen.

Schuldenstreit mit Griechenland: Athen bittet um Hilfspaket

Griechenland hat eine Reformliste an die Gläubiger gesandt. Damit kommt die Regierung unter Tsipras den Forderungen weitgehend nach.

Syrizas Politik: Was würde Marx sagen?

Die griechische Regierungspartei wird in der europäischen Linken als Heldin des Antineoliberalismus verehrt. Aber ist sie das wirklich?

EU und IWF in der Griechenland-Krise: Zugeständnisse bei Schulden geplant

Kurz vor Ablauf der Frist arbeitet Griechenland an einem Kompromissvorschlag, um Geld einzusparen. Die EU und der IWF deutet auch ein Entgegenkommen an.

Krise in Griechenland: IWF-Chefin rät zu Umschuldung

Die Direktorin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde, hat sich für eine Erleichterung der Schuldenlast ausgesprochen. Athens Reformliste fehlt.