taz.de -- Rassismus in „dtv-Atlas Weltgeschichte“: „Wirtsvölker“ werden gestrichen
In dem Standardwerk wurde seit 1966 antisemitische Nazi-Terminologie immer wieder gedruckt. Nun soll die Passage überarbeitet werden.
Berlin dpa | Der „dtv-Atlas Weltgeschichte“ muss nach einem Bericht des Hamburger Abendblatts wegen einer [1][rassistischen und antisemitischen Passage] überarbeitet werden. Der Deutsche Taschenbuch Verlag habe eingeräumt, dass ein seit 1966 in 42 Auflagen gedruckter Absatz „peinlich und rassistisch“ sei.
In der für November 2015 geplanten Neuauflage werde der Passus korrigiert. Darin ist in Zusammenhang mit der rechtlichen Gleichstellung von Juden im 19. und 20. Jahrhundert von deren „Wirtsvölkern“ die Rede.
„Wirtsvölker“ ist einer von vielen ursprünglich aus der Biologie stammenden Begriffe, die von Nationalsozialisten für ihre antisemitische Ideologie missbraucht wurden. Während Biologen dann von Wirtsvölkern sprechen, wenn Parasiten zum Beispiel Bienen befallen, haben Nazi-Ideologen den Terminus auf Juden angewandt.
Die Autoren des Buchs – Werner Hilgemann und Hermann Kinder – leben nicht mehr. Verlags-Lektorin Anna Coseriu vermutet, dass „der Wortgebrauch auf Gedankenlosigkeit“ zurückzuführen sei – was „schlimm genug“ sei, schrieb die Zeitung.
29 Jun 2015
LINKS
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
An der Uni Frankfurt sollen Einführungsseminare zur NS-Pädagogik aus dem Veranstaltungskatalog verschwinden. Dagegen regt sich Kritik.
Eine SPD-Politikerin hat Morddrohungen von Nazis erhalten. „Die Rechte“ hatte einen Polizeibescheid mit ihrer Telefonummer veröffentlicht.
„Lügenpresse“ ist das Unwort des Jahres 2014. Die Idee dahinter ist alt. Der Nationalsozialismus war die Hochzeit des Begriffs.
Die Stolpersteine von Gunter Demnig erinnern an NS-Opfer – teilweise in Nazi-Jargon. Angehörige sind empört, doch der Künstler zeigt sich uneinsichtig.
Tausende Hassmails gingen in den vergangenen Wochen bei der israelischen Botschaft in Berlin ein. Eine Analyse der antisemitischen Schreiben.
Vom Ehegatten-Splitting über die Stellplatzpflicht bis zur Mord-Definition stammen viele noch heute gültige Gesetze aus der NS-Zeit. Das hat nicht nur symbolische Bedeutung sondern auch konkrete Konsequenzen