taz.de -- Die kleine Wortkunde: „Lügenpresse“
„Lügenpresse“ ist das Unwort des Jahres 2014. Die Idee dahinter ist alt. Der Nationalsozialismus war die Hochzeit des Begriffs.
Patrioten, das haben wir in den letzten Wochen gelernt, das sind jene, die eine unangenehme Wahrheit aussprechen, die die Presse nicht schreibt. Und warum lügt die Presse? Weil sie am Gängelband der Großmächte (wahlweise der USA/Israels/des Imperialismus/der Großkonzerne) hängt. Die angeblich verschwiegene Wahrheit ist zumeist die von der Gängelung des eigenen Volkes.
Aber die Idee dahinter ist alt. Der Nationalsozialismus war die Hochzeit des Begriffs Lügenpresse. Zwar taucht er schon 1914 auf, zur Hochzeit der völkischen Beetwa in Reinhold Antons „Der Lügenfeldzug unserer Feinde: Die ,Lügenpresse'“. In die selbe Kerbe schlug der Band „Die Lügenpresse unserer Feinde“ aus dem Hause des Kriegspresseamtes von 1918. Die Nazis übernahmen den Begriff und luden ihn antisemitisch und antikommunistisch auf, um missliebige Meinungen außenstehenden Feinden der „Volksgemeinschaft“ zuzuschreiben – und andersherum die Kritiker auszuschließen.
Die „Lügenpresse“ war ein Lieblingswort von Joseph Goebbel. Er verwendete es, um Kritiker zu denunzieren („Ungehemmter denn je führt die rote Lügenpresse ihren Verleumdungsfeldzug durch“), Alfred Rosenberg konstruierte die „Lügenpresse“ als Gegensatz zum reinen Willen des Volkes und dessen Darstellung.
Seither gehört der Begriff zum Standardvokabular der extremen Rechten in Deutschland. Dass er ausgerechnet auf der Straße von Menschen skandiert wird, die immer wieder betonen keine Nazis zu sein, sagt einiges über die Pegida-Bewegung aus. Es ist eine Bewegung aus dem Bauch heraus, eine, die ein sehr gutes Gefühl für die Ideologie der Sprache hat, eines, das immer wieder die Grenze zwischen „wir“ und „die“ setzt, eines, dem es nicht simpel genug sein kann.
Und die simple Botschaft lautet eben: Wer nicht meiner Meinung ist, der lügt. Und wenn eigentlich ganz viele meine Meinung teilen – auch geschenkt, denn es ist schön bequem, Ressentiments und Hass hinter der Position des Unterdrückten zu verstecken. Was man sagt, wirkt schön authentisch, und nicht so aufgesetzt (= verlogen) wie in den Medien, die zumindest teilweise abwägen und kontextualisieren.
Denn die angeblich marginalisierte Bewegung ist – allen Bemühungen etwa von Teilen der CDU, sich abzugrenzen – selbst schon längst in der Mehrheit, in Dresden sowieso. Mehr als die Hälfte der Deutschen sieht den Islam und eben auch Muslime in Deutschland als eine Bedrohung. Und diese Zahlen wurden vor den Anschlägen von Paris erhoben.
13 Jan 2015
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