taz.de -- Aufklärung der Geheimdienstaffäre: USA gegen deutschen NSA-Ermittler
Die Koalition verfolgt ihren Plan eines Sonderermittlers weiter. Wahrscheinlich soll nun ein Ex-Richter die Spähliste der NSA einsehen.
BERLIN taz | Darf nun losermittelt werden oder nicht? Der Streit im Bundestag um die NSA-Spähliste geht in die nächste Runde - jetzt soll sich auch die USA in die Debatte eingeschaltet haben.
Die Koalition scheint inzwischen vor Einigung zu einer Person für den Sonderermittler, die exklusiv die Liste mit den Suchbegriffen einsehen darf, mit denen die NSA über den BND europäische Politiker und Firmen ausspioniert haben soll. Genannt wird Kurt Graulich. Der 65-Jährige wurde 1999 zum Richter am Bundesverwaltungsgericht ernannt. Graulich wäre im Thema: Jahrzehntelang war er zuständig für Nachrichtendienst-, Polizei- und Telekommunikationsrecht. Seit Februar ist er im Ruhestand.
Graulich bestätigte am Sonntag der taz, es habe „Kontakte“ gegeben. „Ich kann mir die Aufgabe vorstellen, das ist interessant.“ Nun hänge es vom Willen der Politik und der genauen Ausgestaltung ab, ob eine Zusammenarbeit zustandekomme, so Graulich.
SPD sieht Graulich „sehr geeignet“
Der SPD-Obmann im NSA-Untersuchungsausschuss Christian Flisek nannte Graulich einen „sehr geeigneten Kandidaten“. Der Ex-Richter sei „höchst kompetent“ im Feld des Geheimdienstrechts und vertrete „grundrechtsbetonte Positionen“. Eine Entscheidung sei aber noch nicht gefallen.
Die Koalition will die Ernennung des Ermittlungsbeauftragten noch vor der parlamentarischen Sommerpause abschließen. Als Kandidat ist auch noch der frühere Frankfurter Verwaltungsrichter Berthold Huber im Gespräch. Dieser sitzt bereits in der Kontrollkommission des Bundestags für die Geheimdienste.
Der Sonderermittler-Posten war der Kompromissversuch der Bundesregierung in der jüngsten Geheimdienst-Affäre. Die Opposition pocht dagegen weiter darauf, die Liste direkt von Abgeordneten einsehen zu lassen. Grüne wie Linke haben dafür eine Klage vorm Bundesverfassungsgericht angekündigt.
Laut einem Bericht der Bild am Sonntag geht den USA aber selbst der Sonderermittler zu weit. Die Zeitung zitiert eine ungenannte Quelle aus Washington, die jede Einsichtnahme in die geheime Liste ablehnt: Die Bundesregierung dürfe trotz politischen Drucks keine Staatsgeheimnisse verraten. SPD-Obmann Flisek betonte, dass es inzwischen eine Entscheidung der Bundesregierung gebe. „Und auf dieser Grundlage arbeiten wir weiter.“
Offiziell hat Washington noch nicht entschieden, wie mit der Selektorenliste zu verfahren ist. Die Bundesregierung hatte Anfang Mai ein Gesuch an die USA gerichtet.
22 Jun 2015
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