taz.de -- WM 2015: Deutschland-Elfenbeinküste: Aufschäumender Auftakt

Mit 10:0 schlagen die Deutschen im Turnier auf. WM-Neuling Elfenbeinküste ist chancenlos. Die ivorische Torfrau aber ist der Star des Spiels.
Bild: Stürmerin Célia Sasic umspielt die ivorische Torhüterin Dominique Thiamale

Die Ausgangssituation: Im ersten Spiel der letzten WM von Bundestrainerin Silvia Neid geht es für Deutschland gegen einen von zwei Debütanten in der Vorrundengruppe: die Elfenbeinküste. Eine Folge der Erweiterung der WM von 16 auf 24 Mannschaften und für Deutschland ein guter Gegner zum Soft Opening ins Turnier inklusive Kunstrasengewöhnung.

Das Spiel: Dass es nach 20 Minuten nicht schon 7:0 steht, liegt nur daran, dass die Deutschen entweder zu aufgeregt sind oder diverse eindeutige Chancen gar nicht richtig ernst nehmen. Vielleicht, weil sie nach ein paar Minuten eh wissen, dass sie hier locker gewinnen werden, wird mal über das Tor geschossen, mal daneben geköpft – aber egal, das Spiel findet in der ersten Halbzeit ausschließlich in der ivorischen Hälfte statt. Vom starken Gegner, von dem Silvia Neid vor dem Spiel sprach, ist nichts zu sehen.

Zwar wird die Elfenbeinküste in den letzten 20 Minuten der ersten Hälfte etwas stärker. Und auch in der zweiten Halbzeit gibt es ein paar Szenen innerhalb des deutschen Strafraums – aber nur, weil die Deutschen das Tempo rausnehmen und in Zweikämpfe nicht zu viel riskieren wollen. Die sechs gelben Karten und das geprellte Schambein von Melanie Leupolz genügen, um zu wissen, dass die Ivorerinnen durchaus hart zur Sache gehen.

Der entscheidende Moment: Das 2:0 durch Célia Šašic in der 14. Minute. Zwar hatte sie schon in der dritten Minute das 1:0 gemacht. Aber nun war definitiv klar, dass die ivorische Abwehr kein Hindernis darstellt. Simone Laudehr sagte nach dem Spiel, dass ihr Team mit „Schaum vorm Mund“ und „hellwach“ gespielt habe. Stimmt schon. Die acht weiteren Tore aber zählt nur noch die Anzeigetafel mit. Nicht mal die Spielerinnen machen noch große Jubelszenen. Außer beim 10:0, dem schönen Freistoßtreffer durch Alexandra Popp in der 85. Minute, da liegen sich nochmal alle in den Armen. Vielleicht auch, weil Popp in der ersten Halbzeit mehrfach klare Torchancen verdaddelt hatte.

Die Spielerin des Spiels: Dominique Thiamale. Die Torhüterin der Elfenbeinküste muss 17 direkte Torschüsse verarbeiten und insgesamt 29 Schüsse nervlich aushalten. Härteste Arbeit, bei der sie so gut wie keinen groben Fehler macht. Ganz in pink ist sie eindeutig die beste ihres Teams – das bescheinigt ihr auch die Trainerin nach dem Spiel. Vor dem Spiel hatte Thiamale erzählt, dass sie von ihren männlichen Kollegen Didier Drogba & Co. den Rat bekommen hatte, immer auf die Trainerin zu hören, fokussiert zu bleiben und an ihre Werte zu glauben. Das hilft offenbar. Ein großer Auftritt. Im Gegensatz zu Nadine Angerer, die allerdings die meiste Zeit auch nur rumstehen muss und zwei Mal eher unglücklich wirkt.

Die Pfeife des Spiels: Der Sturm der Elfenbeinküste. Der ist zwar schnell. Aber wenn er mal den Ball hat, weiß er nicht so genau, wie er ihn unter Kontrolle halten und nach vorne spielen soll.

Die besondere Szene: In der Halbzeitpause tragen jeweils 20 Menschen von zwei Seiten kommend zwei lange dicke Schläuche aufs Football-Feld des Lansdowne Stadium und heben ihn auf ihre Schultern. Pausenshow? Nein. Wasser Marsch! Der staubtrockene Kunstrasen wird auf diese skurrile Art bewässert.

Die Schlussfolgerungen: Schon ist sie wieder da: Die Debatte darum, ob die Erweiterung der Frauen-WM auf 24 Mannschaften Quatsch ist, weil die Niveauunterschiede so drastisch sind. Dabei ist die Debatte Quatsch. Denn bei den Männern ist es nicht anders. Und allein für den Auftritt der ivorischen Torhüterin hat sich die Erweiterung schon gelohnt.

Die Deutschen spielen in ihrem nächsten Spiel gegen Norwegen schon um den ersten Platz der Gruppe. Denn danach kommt nur noch Thailand. Und deren Auftritt gegen Norwegen (0:4) zeigte, dass auch dieser WM-Neuling ungefähr so ein starker Gegner wie die Elfenbeinküste sein wird.

Und sonst: Die 20.953 Zuschauer im Lansdowne Stadium sind klar parteiisch: Alle für den Underdog. Obwohl mehr Zuschauer im Deutschland-Trikot als im Elfenbeinküsten-Trikot zu sehen sind, wird jeder Zentimeter, den die Ivorerinnen über die Mittellinie schaffen, euphorisch bejubelt, jeder Foulpfiff der Schiedsrichterin gegen die Ivorerinnen heftig ausgebuht. Allein der Einzug von 50 ivorischen Fans mit Trommeln und Tanz hatte die Herzen der Kanadier wohl erobert. Aber sie sind faire Fans und klatschen noch beim 10. Tor der Deutschen.

8 Jun 2015

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Doris Akrap

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