taz.de -- Fifa-Korruptionsskandal: Ex-Vize Warner verlässt Gefängnis
Jack Warner wird organisierte Kriminalität vorgeworfen. Gegen Kaution ist er frei. Obwohl Blatters Rückhalt schwindet, scheint seine Wiederwahl unvermeidlich.
Port-of-Spain/Zürich dpa | Der im Zusammenhang mit der Korruptionsaffäre beschuldigte frühere FIFA-Vizepräsident Jack Warner hat am Donnerstag (Ortszeit) ein Gefängnis in Trinidad und Tobago in einem Krankenwagen verlassen. Der 72-Jährige habe über Erschöpfung geklagt und Fragen von Reportern vor der Haftanstalt nicht beantworten können, teilte ein Justizbeamter mit.
Warner hatte sich am Mittwoch den Justizbehörden in seinem Heimatland gestellt. Gegen eine Kaution von umgerechnet rund 360.000 Euro durfte er wieder auf freien Fuß, blieb jedoch die Nacht über im Gefängnis.
Das US-Justizministerium hatte die Auslieferung Warners beantragt. Die Ermittler werfen ihm organisierte Kriminalität, Korruption und Geldwäsche vor. In den Vereinigten Staaten laufen seit längerer Zeit Untersuchungen des FBI gegen ehemalige FIFA-Offizielle. Am Mittwoch wurden in der Schweiz sieben Fußball-Funktionäre wegen Korruptionsvorwürfen festgenommen.
Wenige Stunden vor der Fifa-Präsidentenwahl in Zürich schwindet der Rückhalt für Joseph Blatter. So erklärte der neuseeländische Verband, der bislang zu den Unterstützern des Schweizers zählte, am Freitag in Zürich nun doch nicht für den 79-Jährigen zu stimmen. Angesichts der Entwicklung in den vergangenen 48 Stunden sei man zu der Auffassung gelangt, dass sich bei der Fifa so schnell wie möglich etwas ändern müsse, um den angeschlagenen Ruf wiederherzustellen. Dies könne nur mit einem neuen Präsidenten geschehen. Daher werde Neuseeland für den Herausforderer votieren, den jordanischen Prinzen Ali bin al-Hussein.
Damit rückt Neuseeland von der Position des Ozeanischen Kontinentalverbands ab, dem insgesamt elf Nationen angehören. Dieser zählte bislang zu den treuesten Unterstützern Blatters und hatte auf seinem Kongress im Januar beschlossen, erneut für den Schweizer zu stimmen.
Kanada und USA gegen Blatter
Kanadas Fußballverband erklärte ebenfalls, gegen Blatter zu stimmen. Der europäische Fußballverband Uefa hat sich ebenfalls gegen den Fifa-Präsidenten positioniert und auch der der US-Fußballverband wird gegen Blatter stimmen. Verbandschef Sunil Gulati kündigte in der Nacht zum Freitag bei einer Telefonkonferenz mit Journalisten an, Herausforderer Prinz Ali bin al-Hussein zu unterstützen. „Ich denke, wir werden eine wesentlich knappere Wahl erleben, als die Leute vor einigen Wochen vorausgesagt haben“, so Gulati.
Blatter kann aber dennoch auf breite Unterstützung hoffen, insbesondere aus Afrika und Lateinamerika, weshalb trotz des wachsenden Widerstands mit seiner Wiederwahl gerechnet wird. Blatter steht massiv in der Kritik, nachdem am Mittwoch mehrerer Fifa-Spitzenfunktionäre aus seinem Umfeld im Zusammenhang mit Korruptionsvorwürfen festgenommen wurden.
Im ersten Wahlgang ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit unter den 209 stimmberechtigten Verbänden erforderlich, im zweiten eine Mehrheit von mehr als 50 Prozent.
Der Fifa-Bestechungsskandal soll nach Ansicht führender Politiker auch Thema beim G7-Gipfel auf Schloss Elmau Anfang Juni werden. Der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, sagte der Bild-Zeitung: „Die extreme Selbstbedienung einiger Fifa-Funktionäre ist derartig schädlich für alle internationalen Bemühungen um die Bekämpfung von Korruption, dass die G7 hier ein deutliches Wort finden sollten.“
Justizminister Maas fordert Rücktritt Blatters
Der Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Michael Grosse-Brömer, äußerte sich ähnlich. Die Entwicklungen im Welt-Fußball seien sicher ein Thema des Gipfels, sagte er. Auch die Vorsitzende des Bundestags-Sportausschusses, Dagmar Freitag, unterstützte im Bayerischen Rundfunk Oppermanns Vorschlag. Die SPD-Politikerin hofft, durch die laufenden Ermittlungen mehr zu den WM-Vergaben an Russland und Katar zu erfahren.
Bundesjustizminister Heiko Maas forderte den Rücktritt von Blatter. „Ich weiß nicht, ob es überhaupt noch jemanden gibt, der Sepp Blatter für den Richtigen hält, um jetzt für Aufklärung zu sorgen“, sagte der SPD-Politiker dem Blatt. Bei den Fans herrsche nur noch Fassungslosigkeit. Und selbst die Sponsoren hätten erkannt, „dass Werbung bei der FIFA rufschädigend wirken kann“. Berichte über Korruption gebe es schon lange. „Wirklich aufgeklärt worden ist nichts von Blatter und Co. Statt „Weiter so“ bräuchte es jetzt einen Neuanfang.“
Der Justizminister hält im Fall der nachgewiesenen Korruption sogar eine Neuvergabe der Fußball-WM 2018 und 2022 für angezeigt. „Wenn sich herausstellt, dass Stimmen gekauft worden sind, ist eine darauf basierende Entscheidung wohl kaum zu halten. Maßgeblich für die Vergabe einer WM darf doch nicht sein, wer die höchsten Schmiergelder zahlt.“
Die Sportausschuss-Vorsitzende Freitag bedauerte, dass die Europäische Fußball-Union (UEFA) nicht mehr Geschlossenheit gezeigt habe. „Es wäre schon ein starkes Zeichen gewesen, wenn die UEFA komplett gesagt hätte, mit Blatter nicht mehr, aber selbst das ist nicht gelungen“, erklärte sie. Deshalb habe sie wenig Hoffnung, dass sich die FIFA grundlegend reformieren werde.
29 May 2015
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Jack Warner, der ehemalige Vizepräsident der Fifa, soll Spenden für die Erdbebenopfer in Haiti unterschlagen haben. Die USA wollen seine Auslieferung.
Die US-Justizministerin Lynch hat gewagt, was in Europa keiner wagt: sich furchtlos mit der Fifa-Mafia anzulegen.
Die Ermittler der US-Steuerbehörde sehen noch mehr Funktionäre in Straftaten verwickelt. Der Druck auf Präsident Blatter bleibt auch nach der Wiederwahl groß.
Nach theatralischer Präsentation und dem Rückzug des Gegners: Joseph Blatter gewinnt erneut die Fifa-Präsidentschaft.
Es gibt kaum etwas Unwichtigeres als die Personalie des Fifa-Präsidenten. Sepp Blatter ist nicht das Problem und Prinz Ali nicht die Lösung.
Dennis Hastert war jahrelang Chef des Repräsentantenhauses. Jetzt ist der prominente Republikaner ist in einen Skandal verwickelt.
Ein Boykott von Turnieren durch die Europäer könnte die Fifa-Festung zum Einsturz bringen. Doch die Uefa ist selbst zu sehr in das System verstrickt.
Als wortloser Vize-Präsident der Fifa wurde Ali bin al-Hussein kaum beachtet. Uefa-Chef Platini will, dass er Blatter vom Thron stößt.
Angst vor der eigenen Courage: Die Wiederwahl von Fifa-Präsident Blatter scheint trotz des Korruptionsskandals sicher zu sein.
Nach dem Fifa-Skandal beraten die Verbände ihr Verhalten. Der bisherige Präsident Blatter sagt Termine ab. Die Fußball-Welt hat ihr Urteil schon gefällt.