taz.de -- Untersuchungsausschuss zur NSU-Affäre: Beweise nur gegen Gewähr

Die Familie eines toten Zeugen fühlt sich vom Ausschuss in Baden-Württemberg diffamiert. Ein Vertrag soll die Übergabe von Asservaten regeln.
Bild: Will es ganz genau wissen: Ausschussvorsitzender Wolfgang Dexler (SPD)

Der Streit um wiedergefundene Gegenstände im ausgebrannten Fahrzeug von Florian H. droht zu eskalieren. Nur unter bestimmen Voraussetzungen ist die Familie des toten ehemaligen Rechtsextremen bereit, dem NSU-Untersuchungsausschuss in Baden-Württemberg einen Laptop, einen Camcorder und ein Handy zur Auswertung zu übergeben.

„Das vorab entgegengebrachte Vertrauen haben einige Mitglieder des Gremiums durch ungebührliche öffentliche Verlautbarungen und offenbar fehlende Fachkompetenz nachhaltig beschädigt“, sagt Yavuz Narin, Rechtsbeistand der Familie, der im NSU-Prozess auch Hinterbliebene der Opfer vertritt.

In der vergangenen Woche hatte der Ausschussvorsitzende Wolfgang Drexler (SPD) den Eltern vorgehalten, die Aufklärungsarbeit zu verzögern, und angedroht: „Wenn die Geräte dem Ausschuss verweigert würden, müssten auch alle rechtlichen Möglichkeiten ausgelotet werden.“ In einem Schreiben an Drexler, das der taz vorliegt, fragt Narin nun: „Wollen Sie ernsthaft behaupten, dass Familie H. für die Verzögerung der Aufklärung in Baden-Württemberg verantwortlich ist?“ Lange hätten gerade die zuständigen Behörden dort kaum „glaubhafte Anstrengungen“ zur Aufklärung des Todes unternommen.

Am 16. September 2013 starb Florian H. in seinem brennenden Peugeot am Cannstatter Wasen. Am selben Tag sollte der 21-Jährige beim Landeskriminalamt vernommen werden, da er der Polizei von einem angeblichen Treffen des NSU mit der vermeintlichen „Neoschutzstaffel“ (NSS) berichtet hatte.

Oberflächliche Ermittlungen

Nach dem Tod von Florian H. gingen Staatsanwaltschaft und Polizei unmittelbar von Selbstmord aus. Dass die Ermittlungen oberflächlich waren, haben Aussagen der zuständigen Beamten vor dem Ausschuss unlängst bestätig. Die Gegenstände, um die es nun geht, fand die Schwester des Toten nach den kriminaltechnischen Untersuchungen im Autowrack. Die Polizisten hatten die Beweisstücke offenbar übersehen.

Die Familie des Verstorbenen hat die technischen Geräte inzwischen dem Politikwissenschaftler Hajo Funke übergeben, um die Daten von einem Experten auslesen zu lassen – bisher ohne Erfolg. Funke geht, wie die Eltern, nicht von einem Suizid aus.

Über Jahre hätten die Verantwortlichen kein Interesse an den Gegenständen gezeigt, sagt Narin. Daher wundere er sich nun über die Androhung von Durchsuchungs- und Beschlagnahmemaßnahmen. „Ich darf auch daran erinnern, dass der Untersuchungsausschuss ein derart resolutes Auftreten gegenüber dem eigenen Justiz- und Innenministerium vermissen lässt“, so Narin.

In Rücksprache mit seinen Mandaten schlägt er einen rechtsverbindlichen Vertrag für die Übergabe vor, der unter anderem regeln soll, dass die Eltern volle Akteneinsicht erhalten. Ihnen soll weiter garantiert werden, dass die Asservate nicht in die „Hände von Beamten“ des Landes kommen, die Mitglieder oder Anhänger einer rechtsextremen Gruppierung waren.

26 May 2015

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Andreas Speit

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