taz.de -- Landwirtschaftsministerin entscheidet: Anbau von Genmais verboten
Aus für den Anbau von Genmais: Die Bundesregierung hat das Aussäen der Monsanto-Körner untersagt. Die Gentechpolitik der EU-Kommission ist gescheitert.
BERLIN taz | Der Anbau von Genmais ist in Deutschland dieses Jahr verboten. Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) gab Dienstag bekannt, dass der vom US-Biotechkonzern Monsanto vertriebene Genmais MON 810 nicht mehr auf den Feldern ausgesät werden darf. Das Aigner-Verbot kam in letzter Minute, denn in den nächsten Tagen müssen die Maiskörner in die Erde gebracht werden.
Sie habe berechtigten Grund zu der Annahme, dass der genveränderte Mais der Sorte MON 810 "eine Gefahr für die Umwelt darstellt", sagte Aigner. Es gäbe Risiken für bestimmte Schmetterlinge, Marienkäfer und Wasserorganismen.
Der Monsanto-Mais MON 810, der durch ein bakterielles Giftgen gegen Fraßschäden durch den Maiszünsler geschützt wird, ist derzeit die einzige genmanipulierte Pflanze, die in der EU kommerziell angebaut wird. Es gibt zwar noch eine weitere EU-Anbaugehmigung, für eine Nelke mit veränderter Blütenfarbe – diese wird derzeit aber nicht genutzt.
Die EU-Genehmigung für den Anbau von MON 810 ist mittlerweile schon über zehn Jahre alt. Seitdem wird auch darum gestritten. Österreich zum Beispiel hat sie nie umgesetzt. Dort durfte MON 810 bisher überhaupt noch nicht angebaut werden. Auch Ungarn, Griechenland und Frankreich verboten zum Teil schon schon vor Jahren den Anbau der Gentech-Pflanzen.
Vor kurzem erst scheiterte die EU-Kommission wieder einmal mit dem Versuch diese Verbote zu kippen. Die EU-Kommission bekam im Ministerrat nicht die erforderliche Mehrheit, um gegen die Verbote vorgehen zu können. Kurz darauf untersagte dann auch noch Luxemburg den MON 810-Anbau. Für die EU-Kommission war das eine erneute Niederlage. Nachdem jetzt auch noch Deutschland den MON 810-Anbau verbietet, steht die EU-Kommission im Grunde endgültig vor dem Scheiterhaufen ihrer Gentech-Politik.
Eigentlich dürfen die EU-Mitgliedsstaaten nicht ausscheren, wenn Brüssel den Anbau einer Gentech-Pflanze genehmigt. Die Genehmigung gilt eu-weit. Nur wenn neue Erkenntnisse über Risiken für Mensch oder Umwelt vorliegen, dürfen die Mitgliedsstaaten vorübergehend die Genehmigung aussetzen. Die EU-Kommission überprüft dann, ob von den Gentech-Pflanzen tatsächlich eine Gefahr ausgeht. Wird das von der EU-Kommission verneint, dann muss der betreffende Mitgliedsstaat sein Verbot wieder aufheben.
Die Bundeslandwirtschaftsministerin betonte, dass das Anbauverbot für MON 810 keine Grundsatzentscheidung zum Umgang mit der Gentechnik im Agrarbereich sei. Es sei vielmehr eine Einzelentscheidung. Grundlage für ihr Verbot waren mehrere Gutachten, die von Luxemburg vorgelegt wurden, teilte Aigner mit. Es gebe „berechtigten Grund zu der Annahme, dass der genetisch veränderte Mais der Linie MON 810 eine Gefahr für die Umwelt darstellt", sagte die Ministerin. Sie muss jetzt befürchten, dass Monsanto gegen das Verbot klagen wird. Und sollten die Gründe für das Verbot nicht stichhaltig sein, wird Monsanto sicherlich auch Schadensersatz einfordern.
Für die Umweltverbände ist das deutsche MON 810-Verbot schon lange überfällig. "Gut gemacht, Frau Aigner!“, sagte Stephanie Töwe von Greenpeace. „Die Gefahren von Gen-Mais lassen sich auch mit Überwachungsplänen, die die Auswirkungen von gentechnisch veränderten Pflanzen auf die Umwelt dokumentieren sollen, nicht aus der Welt schaffen.“
Auch die Naturschutzorganisation NABU begrüßt den Kurswechsel im Landwirtschaftsministerium. Es sei zu hoffen, dass die Entscheidung nicht nur aus wahlkampftaktischen Gründen gefallen sei, weil CDU und CSU derzeit in der Klemme sitzen. "Der NABU fordert ein langfristiges Anbauverbot, denn sonst könnte es im nächsten Jahr unter einer anderen Bundesregierung wieder ganz anders aussehen", sagte NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller.
Sollte das von Aigner verkündete Anbau-Verbot auch die nächsten Monate noch bestehen bleiben, werden die Felder in diesem Jahr in Deutschland weitgehend gentechfrei bleiben. Erlaubt sind dann nur räumlich begrenzte Freilandexperimente mit Gentech-Pflanzen. Der bayerische Umweltminister Markus Sölder will jetzt den Freisstaat Bayern sogar als „gentechnikanbaufreie Zone“ ausrufen.
„Das wird von der Bevölkerung und den Landwirten mit Freude und Erleichterung aufgenommen.“ Auch für die CSU ist das ein Kehrtwende um 180 Grad. Vor wenigen Jahren noch gehörte die bayerische Landesregierung und die CSU zu den bedingungslosen Unterstützern der Grünen Gentechnik.
14 Apr 2009
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Schon 2014 könnte genetisch veränderter Mais angepflanzt werden. Die EU-Kommission hat den Weg frei gemacht. Dabei war die Gen-Kartoffel ein Flop.
Das Anbauverbot der gentechnisch veränderten Maissorte MON 810 ist ein Etappensieg - leider nicht mehr. Die größte Gefahr ist ein Sieg von Union und FDP bei der Wahl im September.
Deutsche Supermärkte sind nicht frei von Genprodukten. Indirekt gelangen sie über Zusatzstoffe wie Vitamine in die Lebensmittel - und müssen nicht gekennzeichnet werden.
Für die Gegner der Gentechnik ist mit dem Genmaisverbot die Schlacht um Genprodukte noch lange nicht beendet. Es gibt weitere Sorten, über die noch nicht entschieden ist.
Landwirt Jörg Piprek wollte den verbotenen Genmais in Brandenburg anbauen und befürchtet nun hohe Ernteausfälle mit konventioneller Aussaat. Außerdem hat er finanzielle Einbußen erlitten.
Regierung, Bauernverband und Gentechnik-Gegner in Brandenburg begrüßen das bundesweite Verbot von Genmais. Nur die betroffenen Landwirte sind wenig begeistert.
Die Genlobby in der Union ist nach dem Verbot der Maissorte MON 810 sauer und kritisiert Landwirtschaftsministerin Aigner. Einen runden Tisch fordert nun Forschungsministerin Schavan.
Für Landwirtschaftministerin Ilse Aigner ist das Anbauverbot für den Genmais nur eine Einzelfallentscheidung. Sie traut sich nicht, eine grundsätzliche Stellungnahme abzugeben.