taz.de -- Luftverschmutzung: Frische Luft wird vertagt

Trotz Umwelt- und Tempo-30-Zonen kriegen niedersächsische Kommunen die Reduzierung der Abgase nicht rechtzeitig in den Griff. Umweltminister Sander will die Frist der Europäischen Union verlängern.
Bild: Gibts nur in Hannover: Umweltminister, die gegen Umweltzonen klagen. Langsam muss sich Hans-Heinrich Sander (FDP) aber etwas einfallen lassen, um die NO2-Werte zu senken.

Acht niedersächsischen Kommunen drohen Bußgeldzahlungen an die EU, weil sie die Grenzwerte für Stickstoffdioxid (NO2) überschreiten. Seit diesem Jahr darf der Jahresmittelwert des gesundheitsschädlichen NO2 nicht höher sein als 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. "Die Kommunen können diese Werte aber nicht einhalten", sagt die Sprecherin des niedersächsischen Umweltministeriums, Jutta Kremer-Heye. Dazu zählen die Landeshauptstadt Hannover, Burgdorf, Braunschweig, Hameln, Hildesheim, Osnabrück, Göttingen und der Kreis Osterode.

Das Umweltministerium und die betroffenen Kommunen diskutieren heute darüber, wie die Zahlungen abgewendet werden könnten. "Wir wollen eine Verlängerung der Frist bis 2015 beantragen", sagte Kremer-Heye. Der EU-Luftqualitätsrichtlinie zufolge ist dies durchaus möglich. Allerdings muss der Antragsteller dann nachweisen, dass die Überschreitung der NO2-Grenzwerte besondere standortspezifische oder klimatische Ursachen hat. Außerdem müssen die Kommunen einen Luftreinhalteplan erstellen. Dieser soll aufzeigen, wie die Grenzwerte vor Ablauf der neuen Frist erreicht werden sollen.

Schon lange kämpfen die acht Städte gegen die Luftverschmutzung in ihren Innenstädten. Alle sind Ballungsräume und deshalb oft mit Autos und Lkws verstopft. Im Kreis Osterode gilt seit einigen Wochen daher auf großen Teilen der Bundesstraße 243 nur noch Tempo 30. In Osnabrück wurde im Januar die Umweltzone in der City eingeführt. Diese Maßnahme war auch notwendig. Schließlich brachte es die Stadt im Jahr 2009 auf einen NO2-Wert von 52 Mikrogramm. Das konnte nur noch Hannover mit 53 Mikrogramm toppen.

Doch ausgerechnet in der Landeshauptstadt kam es in den vergangenen Monaten immer wieder zu Streitigkeiten um die geeignete Maßnahme zur Abgasreduzierung. Dort dürfen seit März nur noch Autos mit grüner Plakette in die Innenstadt. Niedersachsens Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) wollte diese Einschränkungen kippen, musste jedoch vor Gericht eine Niederlage einstecken. Sein Vorschlag zur Verringerung der Luftverschmutzung lautete: "Grüne Welle".

"Diese Maßnahme erzeugt zwar einen fließenden Verkehr", sagt Hans-Joachim Hummel von der Abteilung Luftreinhaltung des Umweltbundesamts, "bringt aber eigentlich nicht so viel". Wirkungsvoller seien da Durchfahrverbote für Lkws, Umweltzonen und Autos, die den aktuellen Abgasnormen gerecht werden. "Moderne Technik und Einfahrverbote sind die wirklichen Mittel der Wahl", sagt Hummel.

Dass niedersächsische Kommunen die Abgas-Belastung nicht in den Griff bekommen, ist den Oppositionsparteien im Landtag zufolge vor allem die Schuld des Umweltministers. So warf der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Stefan Wenzel, Sander vor, die "Probleme auszusitzen". Die Landesregierung dürfe sich einer Lösung der Probleme nicht länger verweigern, sondern müsse Maßnahmen durchsetzen, die Verkehr, Industrie und Landwirtschaft zur Luftreinhaltung verpflichten, sagte Wenzel am Mittwoch.

Noch schärfer ist der Ton bei der Linkspartei. "Sander ist nicht nur inkompetent, er blockiert auch alle Vorschläge, die Experten von Umweltorganisationen machen", sagte der umweltpolitische Sprecher Kurt Herzog. Weil Sander kein Umweltminister, sondern ein Ideologe sei, unternehme er nichts gegen die Luftverschmutzung. "Leider geht dies auf Kosten der Gesundheit der Bevölkerung", sagte Herzog. Stickstoffdioxid ist ein starkes Reizgas, das tief in die Lunge eindringen kann und dort die Lungenfunktion beeinträchtigt.

26 May 2010

AUTOREN

Uta Gensichen

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