taz.de -- Kommentar zur Kandidatenrede Renate Künasts: Die Kandidatin der Mehrheit

Bei ihrer Kandidaten-Rede am Freitagabend hielt renate Künast zum Rundumschlag aus. Dabei wandte sie sich an eine recht bürgerliche Zielgruppe.
Bild: Das Ziel ist klar, nur der Weg noch nicht: Künast nach ihrer Pressekonferenz.

Es muss hart gewesen sein für Renate Künast: Schon im vergangenen Dezember begannen die Spekulationen darüber, ob die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag als Bürgermeisterkandidatin nach Berlin kommt. Doch sagen durfte Künast: nichts. Nur kleine Signale senden, eine Bärenpatenschaft hier, ein paar Gerüchte dort.

Um so mehr holte sie bei ihrer Kandidaten-Rede am Freitagabend zum Rundumschlag aus: Sämtliche Problemfelder von Bildung bis Klimaschutz waren drin, erwartbare Kritik am amtierenden rot-roten Senat, immer wieder gut platzierte Hinweise darauf, wie viel sie in der jüngsten Vergangenheit in der Stadt unterwegs war und mit wie vielen unterschiedlichen Menschen sie gesprochen hat und in jedem zweiten Satz das Wort Berlin, als müsse sie sich vergewissern: Ja, es ist tatsächlich Berlin, wo sie kandidiert.

Doch irgend etwas fehlte. Neben Lehrern, Schülern und Studenten, Unternehmern und Auszubildenden und wen Künast da noch alles in ihrer Rede platziert hatte, kam die Ur-Grüne Zielgruppe nicht vor. Kein Umweltaktivist, kein Sponti, kein Castor-Blockierer. Es war eine eher bürgerliche Zielgruppe die Künast da ansprach und die genau passt zum Kurs der Hauptstadt-Grünen in den letzten Monaten: Es sich bloß mit niemandem verscherzen und sich alle Optionen offen halten. Oder, wie es Künast formulierte: "Man braucht für eine erfolgreiche Regierung Mehrheiten in der Gesellschaft."

Das kommende Jahr wird härter, als der Weg bis hier hin: Da wäre ein Wahlkampf, der sicher nicht erst nach der Sommerpause startet. Ein Regierender Bürgermeister, der angesichts der hochkarätigen Sparringpartnerin zu alten Höchstformen auflaufen könnte. Und die Arbeit auf Bundesebene, deren Auswirkungen auch auf die Berliner Wahl nicht zu unterschätzen sind. Eine Flaute bei den Beliebtheitswerten dort wäre den Umfrageergebnissen in der Hauptstadt sicher nicht zuträglich. Das ist das Risiko: Je stärker der Fokus auf die Mehrheit, desto größer die Gefahr, tief zu fallen.

6 Nov 2010

AUTOREN

Svenja Bergt

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