taz.de -- Kommentar Castor-Lügen: Der Rechtsstaat im Einzelfall
Fotos beweisen es: das Eingreifen des französischen Elitepolizisten bei der Castor-Blockade war rechtswidrig. Das Innenministerium versucht den Vorfall zu verharmlosen.
Was machte ein französischer Elitepolizist beim Castoreinsatz im Wendland? Er beobachtete die Arbeit der deutschen Polizei, ohne selbst ins Geschehen einzugreifen, behauptet das Bundesinnenministerium. Das sei völlig legal, notwendig und seit vielen Jahren üblich.
Doch diese Darstellung gerät immer mehr ins Wanken: Eine Bilderserie im Internet dokumentiert fast lückenlos, wie ein Beamter der französischen Sondereinheit CRS mit Teleskopschlagstock auf Demonstranten losgeht, wie er Sitzblockierer von der Schiene räumt, die friedlich ihre Arme heben.
Alles Notwehr, wiegelt das Ministerium ab. Sieht man die Bilder, ist das kaum zu glauben. So wird auch das Ministerium nicht weiter vernebeln können, was offen sichtbar ist. Zugegeben: Das rechtswidrige Vorgehen eines französischen Beamten im Wendland bleibt nur ein kleiner Mosaikstein in einem Polizeieinsatz, der weitgehend angemessen friedlich blieb. Doch sind es eben jene Einzelfälle, in denen sich der Rechtsstaat beweisen muss. Mehr noch: Der Rechtstaat besteht aus Einzelfällen.
Lobt Innenminister Thomas de Maizière nicht ohne Berechtigung die Arbeit der Polizei im Allgemeinen und vernebelt gleichzeitig die Rechtsbrüche im Detail, so untergräbt er die Demokratie, wie andere Schienen untergraben.
Der Unterschied: Das Kratzen der Fingerkuppen im Gleisbett ist ein symbolischer Akt und höchstens eine Sachbeschädigung, die Vernebelungsstrategie des Innenministeriums jedoch ist verfassungsfeindlich und politisch hochbrisant.
Doch geben die Bilder von dem französischen CRS-Polizisten auch Anlass zur Hoffnung. Sie zeigen: Nicht mehr nur die Polizei filmt und fotografiert Demonstrationen. Jene sensiblen Momente, in denen sich der Rechtsstaat beweisen muss, sind heute besser dokumentiert denn je.
12 Nov 2010
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