taz.de -- Trauerfeier in Tucson: Obama mahnt zivilen Umgang an

Amerika gedenkt der Opfer von Tucson. Auf einer Trauerfeier betonte der US-Präsident die Gemeinsamkeiten und warnte vor Vorverurteilungen. Auch Sarah Palin meldete sich zu Wort.
Bild: Den richtigen Ton getroffen: Barack Obama.

WASHINGTON rtr/afp | US-Präsident Barack Obama hat bei der Trauerfeier für die Opfer des Anschlags von Arizona vor einer Vereinfachung der Tat-Hintergründe gewarnt. In einer bewegenden Ansprache sagte Obama am Mittwoch vor 24.000 Menschen, die in einer Halle der Universität von Arizona sowie einem nahe gelegenen Stadion zuhörten, niemand könne mit Gewissheit sagen, was den Täter zu dem Anschlag bewegt habe oder was in seinem Kopf vorgegangen sei.

Obama warnte vor "einfachen Erklärungen". "Statt mit dem Finger aufeinander zu zeigen oder Schuldzuweisungen zu machen", sollten die Menschen diesen Anlass daher nutzen, einander besser zuzuhören. Er forderte seine Landsleute zur Geschlossenheit und einem "zivileren Umgang" miteinander auf. In einer Zeit der polarisierten Debatten sei es wichtig, innezuhalten und sicherzugehen, dass "wir auf eine Weise miteinander sprechen, die heilt, nicht verletzt", sagte Obama.

Nur ein "zivilerer und ehrlicherer" öffentlicher Diskurs könne den Amerikanern helfen, ihre Probleme anzugehen, sagte Obama in seiner hochemotionalen rund halbstündigen Rede. "Wir sind alle Amerikaner (...) und wir können die Ideen der anderen diskutieren, ohne ihre Liebe für ihr Land in Frage zu stellen", fügte der Präsident hinzu.

Die Debatte über die Hintergründe des Anschlags dürfe nicht Anlass für neue Anfeindungen sein, mahnte Obama. Das Attentat hatte in den USA eine Diskussion über die politische Kultur und die zunehmend aggressive Rhetorik von Politikern wie der ehemaligen republikanischen Vizepräsidentschaftskandidatin Sarah Palin ausgelöst.

Palin, eine Ikone der Rechten, verwahrte sich in einer Videobotschaft gegen den Vorwurf, durch polarisierende Rhetorik zu einem politischen Klima beigetragen zu haben, das den Attentäter zu den Schüssen auf die Abgeordnete Gabrielle Giffords bewegt haben könnte.

Zuvor hatte Obama die bei dem Anschlag schwer verletzte Kongressabgeordnete Gabrielle Giffords sowie vier andere Verwundete besucht. Kurz nach seinem Besuch habe Giffords zum ersten Mal seit dem Anschlag ihre Augen geöffnet, sagte Obama. "Sie weiß, dass wir hier sind."

Das Repräsentantenhaus in Washington verurteilte einstimmig "das schreckliche Attentat" von Tucson. "Unsere Herzen sind gebrochen, aber nicht unser Geist", sagte der mit den Tränen kämpfende neue Präsident der Kammer, John Boehner von den Republikanern. Die Chefin der demokratischen Minderheit, Nancy Pelosi, mahnte einen respektvollen gegenseitigen Umgang an.

Die Gesamtheit der Bundesrichter von Arizona wurde von einem Prozess gegen den mutmaßlichen Täter Jared Loughner ausgeschlossen. Die Unparteilichkeit der Richter sei angesichts des Geschehenen nicht garantiert, erklärte Richter Roslyn Silver. Bei dem Anschlag war auch ein Bundesrichter von Arizona getötet worden.

Wie am Mittwoch bekannt wurde, hatte ein Wildhüter den mutmaßlichen Täter Loughner knapp drei Stunden vor der Tat angehalten, weil er ein Rotlicht überfahren hatte. Nach einer Kontrolle seiner Papiere wurde er nach Polizeiangaben mündlich verwarnt und durfte weiterfahren, weil nichts gegen ihn vorgelegen habe.

Der 22-jährige Jared Lee Loughner hatte Giffords auf dem Parkplatz eines Supermarkts in Tucson in den Kopf geschossen und danach das Feuer auf weitere Bürger eröffnet. Sechs Menschen wurden getötet, darunter ein Bundesrichter und ein neunjähriges Mädchen. Die Motive des Mannes sind noch unklar.

13 Jan 2011

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