taz.de -- UN wirft Regierungssoldaten Gräueltaten vor: Erneute Massenvergewaltigung im Kongo

Kongolesische Regierungstruppen sollten ruandische Hutu-Milizen im Ostkongo jagen. Stattdessen haben sie die Kleinstadt Fizi terrorisiert.
Bild: Kongolesische Regierungssoldaten.

BERLIN taz | Kongolesische Regierungssoldaten haben in den östlichen Kivu-Provinzen rund um den Neujahrstag mindestens 67 Frauen vergewaltigt. Das seien doppelt so viele wie bisher angenommen, erklärten die Vereinten Nationen am Montag. Es handele sich um zwei Massenvergewaltigungen in den Orten Fizi (Süd-Kivu) und Bushani (Nord-Kivu) in der Nacht zum Neujahrstag und danach. Die Bilanz könnte noch weiter steigen: Lokale UN-Quellen nennen in Fizi allein 57 Vergewaltigungsopfer, während die UN in New York von 35 sprach.

Damit verschärft sich die Kontroverse wegen des Terrorfeldzugs, den Soldaten der 43. Sektion der Regierungsarmee in den ersten beiden Tagen des Jahres 2011 in Fizi anrichteten. Nach Berichten der humanitären Koordinationsstelle der UN (Ocha) flohen fast alle 20.000 Einwohner Fizis aus der Kleinstadt am Tanganjika-See, nachdem Soldaten in der Nacht zum 2. Januar plündernd und vergewaltigend durch die Straßen zogen.

Die Soldaten wollten laut Ocha einen Kameraden rächen, den die Bevölkerung am Neujahrstag gelyncht hatte. Die Bevölkerung Fizis ergriff daraufhin die Flucht. Eine Woche später war laut Ocha immer noch die Hälfte der Einwohner Fizis auf der Flucht; dem jüngsten Lagebericht vom Montag zufolge sind inzwischen 85 Prozent zurückgekehrt, verlangen aber den Abzug der Armee. Der zuständige Armeekommandant wurde abgesetzt und soll vor Gericht kommen.

Im Bericht einer lokalen Menschenrechtsgruppe, der der taz vorliegt, wird der Vorfall wie folgt dargestellt: Der 29-jährige Faizi Kabiona sei von einem Soldaten per Bauchschuss getötet worden, nachdem er sich geweigert habe, diesem im Rahmen der Neujahrsfeiern "ein Liebestreffen mit einem Mädchen" zu vermitteln. Daraufhin sei dieser Soldat von einer aufgebrachten Menge zu Tode gesteinigt worden. In der Nacht hätten die Soldaten daraufhin Männer gefoltert und Frauen sogar im Krankenhaus vergewaltigt. Die Übergriffe hätten tagelang gedauert.

Die 43. Sektion ist Teil jener Regierungstruppen, die zur Bekämpfung der ruandischen Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) in den Kivu-Provinzen stationiert sind. Nach UN-Angaben wurden in den beiden Jahren 2009 und 2010 3.878 FDLR-Kämpfer demobilisiert; damit wäre die Miliz höchstens noch halb so stark wie früher. Je erfolgreicher jedoch die Operationen gegen die FDLR sind, desto kritischer sieht die lokale Bevölkerung die andauernden Verbrechen der eigenen Armee.

27 Jan 2011

AUTOREN

Dominic Johnson

TAGS

Schwerpunkt Völkermord in Ruanda

ARTIKEL ZUM THEMA

Ruandische Hutu-Miliz FDLR: Reden von Frieden, aufrüsten für Krieg

Die Regierung verhandelt mit der ruandischen Hutu-Miliz FDLR über die Auflösung ihres Militärhauptquartiers. Ob dieses Angebot ernst ist, bleibt zu bezweifeln.

Prozess wegen Vergewaltigung im Kongo: 20 Jahre Haft für Vergewaltigung

Der erste große Prozess gegen kongolesische Regierungssoldaten wegen Massenvergewaltigungen im Osten des Landes endet mit hohen Haftstrafen.

Ruanda-Völkermordprozess in Frankfurt: "Das ist ein Tutsi, ja"

Wie spricht man vor einem deutschen Gericht über den Völkermord in Ruanda? Ein Besuch beim Prozess gegen den Exbürgermeister Onesphore Rwabukombe.

Gigantischer Goldschmuggel im Kongo: Dollars, Goldstücke und ein General

Händler aus Nigeria wollten dem kongolesischen Armeegeneral Bosco Ntaganda Gold abkaufen. Sie schickten ein Flugzeug voller Bargeld nach Goma - ein Fehler.

Neuer Bericht der UN-Experten: Schmuggel und Terror im Ostkongo

Ein neuer UN-Expertenbericht enthüllt dunkle Geschäfte illegaler Milizen aus Ruanda, Burundi und Uganda im Ostkongo. Er übt scharfe Kritik an Kongos Regierungsarmee.