taz.de -- Kommentar Rainer Brüderle: Verschweigen und verplappern

Der BDI beteuert, der Protokollant müsse Brüderle falsch verstanden haben. So verzweifelt kann Schadensbegrenzung klingen. Die Wähler werden es richtig verstehen.

Angela Merkel hatte gerade das mit viel Verantwortungsethik ausstaffierte Atom-Moratorium verkündet, da versicherte Wirtschaftsminister Rainer Brüderle den deutschen Industriechefs, das sei nicht ernst gemeint, nur eine Wahlkampfaktion. Man kann es so sehen: Rainer Brüderle hat damit immerhin einmal die Wahrheit gesagt. Und: Eine Regierung, die Brüderle in ihren Reihen hat, braucht keine Gegner mehr.

Doch dieser PR-Unfall beleuchtet vor allem schlaglichtartig, wie doppelzüngig die halbe Wende von Schwarz-Gelb in der Atompolitik ist. Schwarz-Gelb hat vor einem halben Jahr mehr Atomkraft durchgesetzt. Seit Fukushima gilt: Schwarz-Gelb will Atomkraftwerke abschalten und vielleicht schneller aussteigen.

Allerdings hält die Regierung an der Laufzeitverlängerung für die AKWs fest. Schwarz-Gelb will also weniger Atomkraft - aber vor ein paar Monaten mehr gewollt zu haben war auch völlig richtig. Wendemanöver in prinzipiellen Fragen verlaufen nie unfallfrei.

Um den Totalschaden zu vermeiden, hätten Merkel & Co wenigstens erklären müssen, dass die Laufzeitverlängerung ein Fehler war. Einfach, weil man nicht für mehr und für weniger AKWs sein kann. Derzeit sind sieben AKWs vom Netz genommen. Laut Schwarz-Gelb (Modell letzter Herbst) ist das eigentlich unmöglich, weil Stromlücken drohen. Schwarz-Gelb (Modell vor dem 27. März) sieht das Problem nicht. Und Schwarz-Gelb nach dem 27. März?

Der Bundesverband der Deutschen Industrie BDI beteuert nun, der Protokollant müsse Brüderle falsch verstanden haben. So verzweifelt kann Schadensbegrenzung klingen. Die Wähler werden jedenfalls richtig verstehen, was Brüderle und Mappus wollen.

24 Mar 2011

AUTOREN

Stefan Reinecke

TAGS

Rainer Brüderle
Schwerpunkt Atomkraft
Schwerpunkt Atomkraft
Schwerpunkt Atomkraft

ARTIKEL ZUM THEMA

Kommentar Brüderles Sexismus: Die hässliche Wahrheit

Die Anekdote über Brüderles Anmache mag ein Tabubruch sein. Doch es ist kein Vergnügen, sich im politischen Berlin ständig den Sexismus von Politikern anhören zu müssen.

Klaus Töpfer über den Atomausstieg: "Eine Erfahrung aus Tschernobyl"

Die Katastrophe in Japan fordert auf, über das Energiekonzept der Bundesregierung neu nachzudenken, sagt Ex-Umweltminister Klaus Töpfer. Erneuerbare Energien seien bereits jetzt eine "reale Größe".

Konsequenz aus der Brüderle-Affäre: BDI-Geschäftsführer tritt zurück

Weil der Wirtschaftsminister zu den BDI-Managern ehrlich war und die Abschaltung der AKWs indirekt als Wahlkampfmanöver bezeichnete, muss BDI-Geschäftsführer Schnappauf gehen.

Atom-Moratorium der Regierung: Brüderle nicht immer rational

Wirtschaftsminister Brüderle hat die Atom-Wende der Regierung "nicht rational" genannt. Die Entscheidung sei aus wahltaktischen Gründen gefallen. Die CDU versucht eilig, das zu relativieren.

Diskussion um den Ausstieg: Merkel gibt Atomdebatte an Ethikrat

Neben der Kommission für Reaktorsicherheit gibt es nun auch eine Ethikkommission. Vertreter aus Politik, Gesellschaft und Kirche sollen über den Atomausstieg diskutieren.