taz.de -- Kommentar Energiewende: Atomkatastrophe mit globaler Wirkung

Fukushima kann auch für andere Staaten - vor allem in Europa - zur Zäsur werden. Dann nämlich, wenn sie sehen, wie Deutschland seinen Ausstieg meistert.

Steht die Katastrophe von Fukushima für einen Zeitenwechsel, so wie der 11. September 2001? Oder nur für einen kurzen Schock und eine vorübergehende Episode der Verunsicherung, nach der man wieder zur Tagesordnung übergeht? Diese Frage stellt sich, einen Monat nach dem Erdbeben, das in Fukushima zu einem mehrfachen atomaren Super-GAU führte, wenn man die globalen Folgen des Ereignisses betrachtet.

Oft genug schon hat man erleben müssen, wie nach Katastrophen und Skandalen bald wieder der Alltag einkehrte. Die Finanzkrise von 2008 zum Beispiel konnte die unbändige Spekulationswut der Banken nicht dauerhaft bremsen. Und auch die Ölkatastrophe der "Deepwater Horizon" im Golf von Mexiko vor einem Jahr hat bisher nicht wirklich zu einem sensibleren Umgang mit Ölbohrungen geführt.

Gleichwohl: Fukushima ist anders. Zumindest in Deutschland gibt es heute kein Zurück mehr in die Zeit vor dem 12. März, als die ersten Bilder von der Explosion im Reaktor über die Bildschirme flimmerten. Viele andere Länder mögen da bräsiger sein. Aber für Deutschland wird Fukushima als energiepolitischer Einschnitt in die Geschichte eingehen.

Diese Besonderheit hat zum einen damit zu tun, dass die Anti-Atom-Bewegung einen bedeutenden Teil der deutschen Nachkriegsgeschichte bildet. Zum anderen waren in den vergangenen Dekaden im Bereich der erneuerbaren Energien hierzulande enorme Fortschritte zu verzeichnen. Schon nach der Tschernobyl-Katastrophe wurde nach neuen Technologien geforscht, die nunmehr so ausgereift sind, dass sie nur darauf warten, die Energieversorgung sukzessive komplett zu übernehmen. Die Nutzung erneuerbarer Energien ist in Deutschland heute Alltag geworden: viele Menschen verdienen ihr Geld mit erneuerbaren Energien, und viele haben auf ihrem Haus bereits ein Solardach.

Das mag in vielen anderen Ländern noch nicht so sein, und gerade in Schwellenländern wie China und Brasilien zeigt man sich vom Atom-GAU in Japan noch wenig beeindruckt. Und dennoch kann Fukushima auch für andere Staaten - vor allem in Europa - zur Zäsur werden. Dann nämlich, wenn sie sehen, wie Deutschland seinen Ausstieg meistert. Dann werden vermutlich auch andere Länder diesem Beispiel folgen - selbst wenn sie die Katastrophe von Fukushima bis dahin längst verdrängt haben sollten.

10 Apr 2011

AUTOREN

Bernward Janzing

TAGS

Schwerpunkt Atomkraft

ARTIKEL ZUM THEMA

Gefährlicher AKW-Standort in Japan: Warten auf das Beben von Tokai

Der nächste große Atomgau droht 200 Kilometer südlich von Tokio im AKW Hamaoka. Die Atomanlage steht direkt auf der Grenze von drei großen tektonischen Erdplatten.

Arbeiter aus Fukushima evakuiert: Schweres Nachbeben erschüttert Japan

Nahe des havarierten Atomkraftwerks Fukushima ist es im Nordosten Japans zu einem schweren Nachbeben gekommen. Unterdessen wurde die Evakuierungszone um das AKW ausgeweitet.

Rettungsmaßnahmen in Fukushima: Hilflose Helfer ohne Handbuch

Planung, Ausrüstung, Erfolgsaussichten? Schlecht. Die Helfer in Fukushima stehen im radioaktiven Wasser, um die Reaktoren zu kühlen.

Nürnberger Fanprotest gegen Sponsor: Atomgeld, nein danke!

Die Nachwehen der Katastrophe von Fukushima haben die Bundesliga erreicht. Beim 1. FC Nürnberg regt sich Protest gegen den Hauptsponsor, den Areva-Konzern.

Horst Seehofer redet über Ökostrom: CSU macht auf Grün

Ministerpräsident Seehofer will Bayern auf neue Energien trimmen. Bisher bezieht der Freistaat über 60 Prozent seines Stroms aus der Atomkraft.

Neues Konzept zum Atomausstieg: Ab 2020 geht es weltweit ohne

Das Projekt des globalen Atomausstiegs ließe sich nach Ansicht von Forschern des Fraunhofer Instituts bis 2020 realisieren. Ab 2050 könne man ohne Kohle und Stahl auskommen.

Renate Künast über die Energiewende: "Der Ausstieg ist längst nicht durch"

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast über die Energiewende, den Schlingerkurs der Regierung, die Anti-Atom-Stimmung im Land, die Kosten des Ausstiegs und das Klischee vom grünen Spießer.