taz.de -- Der Kampf ums NBA-Finale: Keine Angst vor dem Bart

Die Dallas Mavericks und der als Weichei verschriene Dirk Nowitzki wandeln sich zusehends zu selbstsicheren Titelanwärtern. Nur noch ein Sieg fehlt für das Finale.
Bild: Dirk Nowitzki: Der Traum vom zweiten NBA-Finale könnte wahr werden.

BERLIN taz | Als der bärtige Mann auf die Bank ging, ging das Spiel den Bach runter. James Harden war nicht freiwillig gegangen, er hatte sich sein sechstes Foul eingefangen und musste raus. Es war fünf Minuten vor Ende der Partie und der Anfang vom Ende für Oklahoma City Thunder. Die führten zu diesem Zeitpunkt mit 15 Punkten Vorsprung und alles sah danach aus, als würden sie die Semifinal-Serie gegen die Dallas Mavericks ausgleichen können. Stattdessen "übernahm Dirk das Spiel", analysierte später ein frustrierter Thunder-Trainer Scott Brooks.

Er meinte Dirk Nowitzki, der allein zwölf Punkte erzielte in diesen letzten fünf Minuten und den Ausgleich für Dallas sicherstellte. In der Verlängerung gingen die Mavericks zum ersten Mal an diesem Abend in Führung. Die ließen sie sich nicht mehr nehmen, siegten 112:105 und haben nun heute Nacht die Möglichkeit, zu Hause den vierten Sieg einzufahren und die NBA-Endspiele zu erreichen.

Dann allerdings wird James Harden wieder mitmischen. Der Shooting Guard sieht mit seiner gewaltigen Gesichtsbehaarung nicht nur grimmig aus, sondern ist auch der Spieler, ohne den Oklahoma gegen Dallas nicht gewinnen kann. Harden ist zwar erst 21 Jahre alt und steht auch nicht in der Thunder-Startaufstellung, aber wenn er von der Bank kommt, ist er die unverzichtbare dritte Angriffsoption nach Kevin Durant, dem fleißigsten Punktesammler der NBA, und dem explosiven Aufbauspieler Russell Westbrook.

"Wir hatten am Schluss ein paar Schwierigkeiten", versuchte Brooks die Offensivprobleme seiner blutjungen und in der Schlussphase des Spiels offensichtlich übernervösen Mannschaft kleinzureden. Aber in Oklahoma schreiben die Fans "Fear The Beard!" auf Schilder, die sie hochhalten. Denn ohne den Bart, der sogar eine eigene Facebook-Seite besitzt, ist das Thunder-Angriffsspiel gar nicht mehr zum Fürchten.

Deshalb wusste auch Nowitzki, dass "wir Glück hatten, das Spiel zu gewinnen". Allerdings strahlt der Würzburger nicht erst seit der sensationellen Aufholjagd endlich auch eine Selbstsicherheit aus, die ihm und seinen Mitspielern lange fehlte: "Nachdem wir die 15 Punkte aufgeholt hatten, wussten wir, dass das Spiel uns gehört."

Keine Ansammlung überbezahlter, alter Herren

Nowitzki und die Mavericks sind momentan dabei, ihren Ruf grundsätzlich zu reformieren. Mit jedem Playoff-Sieg, den sie einfahren, mit jedem Rückstand, den sie aufholen, fühlen sich mehr Kommentatoren bemüßigt anzumerken, dass Nowitzki nicht das Weichei sei, für das man ihn lange gehalten hat.

Die Mavericks, so die zweite Zeile dieses momentan immer wiederkehrendes Refrains, sind keine Ansammlung überbezahlter alter Herren mehr, die noch nie etwas gewonnen haben, sondern plötzlich ein Team aus erfahrenen Veteranen, die wissen, wie man gewinnt.

Diese alten Herren haben aber vor allem mit Niederlagen ihre Erfahrungen gesammelt. Kein einziger Profi im 15-köpfigen Kader der Mavericks hat jemals einen NBA-Titel gewonnen, obwohl die meisten schon lange Jahre in der Liga spielen.

Die meisten sind einem der dicken, mit glitzernden Steinen besetzten Ringe, die sich die Spieler für eine Meisterschaft anstecken dürfen, noch nicht einmal nahe gekommen. Der 38-jährige Jason Kidd verlor, damals noch mit den New Jersey Nets, zweimal im Finale. Der 32-jährige Nowitzki und Jason Terry, schon 33, sind die beiden einzigen Übriggebliebenen jenes Mavericks-Team, das 2006 im Finale gegen Miami Heat eine 2:0-Führung vergeigte.

Im Herbst ihrer Karriere scheint dieser Haufen Enttäuschter endlich die richtige Einstellung gefunden zu haben. "Wir sind alle in einer Phase unserer Karriere, in der wir unsere Differenzen und Egos zur Seite schieben können", hat der 33-jährige Shawn Marion, der vor allem in der Verteidigung gegen Kevin Durant überzeugte, festgestellt, "denn am Ende des Tages wollen alle diesen Typen endlich einen Ring. Darum geht es und um nichts sonst."

Die jungen Spieler aus Oklahoma dagegen stehen fast alle noch am Anfang verheißungsvoller Karrieren. Auch wenn sie Mittwochabend in Dallas verlieren und ausscheiden, werden sie wertvolle Erfahrungen sammeln, um irgendwann selbst einen NBA-Titel zu gewinnen. Das Talent dazu haben der Bart und seine Kollegen zweifellos.

24 May 2011

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Thomas Winkler

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