taz.de -- Weniger Gift – mehr Kohlendioxid: Abgasnorm widerspricht Klimazielen
Der Preis für weniger giftige Abgase könnte ein höherer CO2-Ausstoß sein. Die neue Euro-6-Abgasnorm für LKW stößt deshalb auf erheblichen Widerstand.
BERLIN taz | Künftig sollen Lkws weniger Schadstoffe in die Luft blasen. Ab 2014 müssen sie die Euro-6-Abgasnorm einhalten, die am 31. Dezember 2012 offiziell in Kraft tritt. Andernfalls werden sie aus dem Verkehr gezogen.
Die bisherigen Euronormen 1 bis 5 gelten als Erfolgsgeschichte. Die Emission von Kohlenwasserstoff, Kohlenmonoxid, Stickstoffoxid und Rußpartikel konnte dadurch um 90 Prozent vermindert werden. Die neue Abgasnorm sieht nun vor, dass der Ausstoß von Kohlenwasserstoff um 71,7 Prozent gegenüber den bisherigen Grenzwerten gesenkt wird, bei Stickstoffoxid sollen es 80 Prozent sein und bei den Partikeln 50 Prozent.
Doch gibt es dabei ein Problem: Die neuen Motoren, die für die Euro-6-Norm produziert werden, sorgen zwar für einen geringeren Ausstoß dieser drei Schadstoffgase, sie erhöhen aber den Treibstoffverbrauch – und damit die CO2-Emissionen. Insgesamt ist der Lkw- und Pkw-Verkehr für 23 Prozent dieser Treibhausgasemissionen verantwortlich. 5 bis 6 Prozent davon entfallen auf den Güterverkehr.
Der Bundesverband für Güterkraftverkehr und Logistik (BGL) fordert daher eine Regelung, die die Euro-6-Norm mit den Klimavorgaben für Lkws zusammenführt. Schwere Nutzfahrzeuge, also Lkws, sollen künftig einen Treibstoffverbrauch von 26 Litern pro 100 Kilometer erreichen – rund 20 Prozent weniger als derzeit.
Finanzielle Anreize für Spediteure gefordert
Die Euro-6-Motoren sind laut BGL-Präsident Hermann Grewer mit den Klimazielen nicht vereinbar: „Wer soll 2013 noch Euro-6-Fahrzeuge kaufen, wenn die EU zu diesem Zeitpunkt Zielwerte für CO2-optimierte schwere Nutzfahrzeuge herausgibt, die mindestens 15 Prozent weniger Kraftstoff verbrauchen sollen?“ Ähnlich sieht das Andreas Renschler, Leiter von Daimler Trucks.
Allein die notwendige Nachrüstung herkömmlicher Laster würde zu einem Mehrgewicht von 200 Kilogramm führen. Er fordert neue Fahrzeugkonzepte und finanzielle Anreize für Spediteure, damit diese rechtzeitig in den Umweltschutz investieren. Auch die Einführung einer eigenen Mautklasse, die Euro-6-Lkws entlasten soll, wäre ein Weg.
Der verkehrspolitische Sprecher des Verkehrsclubs Deutschland (VCD), Gerd Lottsiepen, sieht in der Technologie hingegen keine nennenswerte Schwierigkeit. Problematischer sei, „dass die CO2 -Grenzwertsetzung für Lkws fehlt.“ Der Widerstand der Automobilindustrie gegen die neue Norm kommt für ihn wenig überraschend. Kaum dass die Euro-6-Motoren dann eingeführt seien, würden sich die Autohersteller aber ihrer neuen Technologien rühmen.
26 Jun 2011
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Die EU will den CO2-Ausstoß von Lkw-Motoren bis 2030 um 30 Prozent senken. Kritiker halten schärfere Sparmaßnahmen für möglich.
Der CO2-Ausstoß steigt weiter an – vor allem im Verkehr. Es wird damit immer unrealistischer, das Emissionsziel für 2020 noch zu erreichen.
Mehr als 10.000 Menschen sterben jährlich infolge der hohen Abgasbelastung. Die Politik reagiert mit Verschleierungsmaßnahmen.
Die Verkehrsministerkonferenz hat den Weg für Riesenlaster frei gemacht. In einem Feldversuch werden die Gigaliner ab Herbst auf deutschen Autobahnen unterwegs sein.
In Deutschland fließt weitaus weniger Geld in den Ausbau der Bahn als in den Nachbarländern. Deutschland verpasse den Boom im Schienengüterverkehr, warnen Bahn-Lobbyisten.
Costa Rica will als erstes Land den gesamten Energiebedarf aus regenerativen Quellen decken. Das ehrgeizige Ziel droht zu scheitern.
Im europäischen Vergleich schneiden Metropolen in Deutschland beim Klima- und Umweltschutz gut ab. Umweltbewusstsein und Vorschriften heißen die Gründe.
Auf dem Papier erfüllen die Industrieländer ihre Verpflichtungen aus dem Kioto-Protokoll. Die Realität sieht ganz anders aus, wie eine neue Studie zeigt.
Ein Haustier in Deutschland stößt ungefähr so viel CO2 aus wie ein Mensch in Ägypten. Experten empfehlen nun, am besten nur essbare Tiere anzuschaffen.
Um die Entwaldung einzudämmen, wollen die Vereinten Nationen den Regenwald in den CO2-Handel aufnehmen. Zurzeit treffen sich betroffene Länder in Brazzaville.
Motorräder fahren wieder und sind dabei leider leiser, als man denkt.