taz.de -- 10 Jahre nach dem G-8-Gipfel in Genua: Autonome wollen Rache

Zum 10. Jahrestag des G-8-Gipfels von Genua sind bundesweit Veranstaltungen geplant. Für Samstagnacht rufen Autonome in Berlin zur Militanz.
Bild: Carlo Giuliani, 23, starb bei den Protesten gegen den G-8-Gipfel in Genua vor 10 Jahren.

BERLIN taz | "Rache für Carlo" - das ist der Kampfruf, mit dem im linksmilitanten Spektrum derzeit zu zahlreichen [1][Aktionen] für die kommenden Tage aufgerufen wird. Zum anstehenden zehnten Jahrestag des umkämpften G-8-Gipfels von Genua sind bundesweit zahlreiche Gedenk- und Informationsveranstaltungen geplant.

Bei den Protesten gegen den Gipfel der weltweit mächtigsten Staatenlenker waren vom 19. bis 22. Juli 2001 bis zu 300.000 Menschen aus aller Welt in der italienischen Stadt Genua auf die Straße gegangen. Dabei kam es auch zu massiven Übergriffen durch die Polizei auf Demonstranten. Im Zuge dieser Auseinandersetzungen war dabei am 20. Juli 2001 der Demonstrant Carlo Giuliani von einem Polizisten [2][erschossen] worden.

Für Samstagnacht ruft nun in Berlin das linksautonome Spektrum zu einer unangemeldeten Demonstration auf. Aktivisten erklärten in einem Schreiben gegenüber der taz, eine Eskalation läge dabei nicht im Interesse der Demonstration. In einschlägigen Internetforen wird dagegen unmissverständlich betont: "Für den Fall eines Konfliktes, der bei dieser Demo zwangsläufig von der Polizei provoziert würde, glauben wir an unsere Konfliktfähigkeit", schreibt eine sogenannten "Bezugsgrupe 13". An anderer Stelle ist von "wütendem Protest" und "entschlossenem Widerstand gegen jegliche Polizeigewalt" die Rede.

Auch in anderen deutschen Städten ruft das autonome Spektrum zu Aktionen auf. Bereits für den gestrigen Freitagabend war eine Demonstration in Duisburg geplant, wo zum Todestag Giulianis am 20. Juli erneut demonstriert werden soll. In Nürnberg ruft die Autonome Jugendantifa für Samstagnachmittag zu einer Demonstration auf. In Aachen soll es in der kommenden Woche Protest geben.

Bereits in den vergangenen Wochen wurden in zahlreichen deutschen Städten zunehmend Plakate und Graffitis zur Erinnerung an Carlo Giuliani sichtbar. Darüber hinaus hatten Unbekannte in der Nacht zu Mittwoch einen Brandanschlag auf ein Gebäude des Berliner Landeskriminalamts verübt und an der Wand einen unzweideutigen Schriftzug hinterlassen: "Für Carlo, 20.7.2001. RIP."

Neben den Plänen aus dem autonomen Spektrum sind für die kommende Woche bundesweit zahlreiche Diskussions- und Informationsveranstaltungen aus dem gemäßigten linken Spektrum geplant. Zahlreiche Aktivisten wollen in der kommenden Woche auch zu Gedenkveranstaltungen nach Italien reisen. Dort sind noch immer Gerichtsverfahren anhängig, in denen die Rolle der italienischen Polizei teils bis heute nicht abschließend geklärt wurde.

15 Jul 2011

LINKS

[1] /1/berlin/artikel/1/autonome-wollen-autonom-demonstrieren/
[2] /1/politik/europa/artikel/1/voellig-zu-recht-erschossen/

AUTOREN

Kaul
Litschko

ARTIKEL ZUM THEMA

Fälschung von Beweisen beim G8-Gipfel: Haftstrafen für italienische Polizisten

Bei dem blutigen Sturm einer Schule während des G8-Gipfels in Genua haben Polizisten schwere Beweisfälschungen begangen. Dafür wurden sie zu hohen Haftstrafen verurteilt.

Zehn Jahre nach G8-Protesten in Genua: "Man wollte uns erledigen"

Genua war der Höhepunkt der globalisierungskritischen Bewegung. Der damalige Sprecher des Sozialforums Vittorio Agnoletto über das, was passiert ist und die Folgen.

Prozesse nach Genua: Strafen ohne Folgen

Verurteilungen, Freisprüche, Verjährungen, Straferlass – was aus den Verfahren nach der Gewalt bei den G8-Protesten in Genua wurde.

Demo in Kreuzberg II: Fotograf von Polizei festgesetzt

Ein Fotojournalist soll auf der Carlo-Giuliani-Demo Böller gezündet haben. Augenzeugen zufolge liegt eine Verwechslung vor.

Giuliani-Demo in Berlin-Kreuzberg: Angeheizte Stimmung

Hunderte Vermummte ziehen in der Nacht durch Berlin. Sie wollen an den 2001 erschossenen Carlo Giuliani erinnern. Die Bilanz: Sachschäden, Verletzte und 33 Festnahmen.

Getöteter Globalisierungsgegner: Carlo Giuliani, ein Junge

Es war eine spontane Entscheidung, als Carlo Giuliani am 20. Juli 2001 zu den Anti-G-8-Protesten in Genua ging. Am späten Nachmittag war er tot.

Kommentar 10 Jahre Genua: Initialzündung, verpufft

Der Protest von Genua im Jahr 2001 stand für das Gelingen einer ökonomischen Alphabetisierung sozialer Bewegungen. Sie ist inzwischen verloren gegangen.

Protest in Kreuzberg: Autonome wollen autonom demonstrieren

Kreuzberg erwartet brisante Samstagnacht: Linke wollen an die Erschießung eines G-8-Gegners vor zehn Jahren erinnern - mit einer unangemeldeten Demo. Polizei fürchtet Straftaten.

G-8-Gipfel in Genua: Völlig zu Recht erschossen

Der Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte sieht Notwehr als Ursache für Tod von Carlo Giuliani beim G-8-Gipfel in Genua 2001. Italien wird nicht verurteilt.

Gewalt auf G8-Gipfel in Genua: Polizisten müssen in den Knast

Knapp neun Jahre nach der Tat sind die Polizisten und ihre Vorgesetzten wegen der Schlägerorgie auf dem G8-Gipfel von Genua im Sommer 2001 verurteilt worden.

Globalisierungskritiker verurteilt: Hohe Haftstrafen für G-8-Gegner

Acht Jahre nach den Genua-Protesten erhöht ein Gericht die Strafen für den Schwarzen Block. Im Gegenzug werden die Urteile gegen die gemäßigten Tute Bianche abgemildert

Tatort G-8-Gipfel 2001 in Genua: In der "roten Zone"

Als einige Militante Anti-G-8-Demonstranten versuchten, in den Sicherheitsbereich einzudringen, begann die Polizei ihre Prügelorgie.