taz.de -- Manifest von Anders Behring Breivik: Massaker als Marketing-Instrument
Das Manifest des norwegischen Massenmörders Anders Behring Breivik ist komplett irre: Ein manisch zusammengeschustertes Plagiat.
Es kommt einem pervers vor, in dem mehr als 1.500 Seiten umfassenden Konvolut des norwegischen Massenmörders Anders Behring Breivik zu blättern, das bis Sonntag noch unter dem Namen des Attentäters im Netz stand. Danach war anstelle seines Namens der Autorenname "Mr Harmlos" angegeben.
Man denkt ein paar Minuten darüber nach, ob man den Link zum Text, den ein Netzwerkfreund gepostet hat, weiterleiten soll, weil man damit die Intentionen von Anders Behring Breivik erfüllt, der in seinem Vorwort schreibt: "Dieses Kompendium zu schaffen hat mich insgesamt 317.000 Euro gekostet […]. All das ist aber kaum spürbar im Vergleich zu den Opfern, die ich gebracht habe, um dieses Buch in Umlauf zu bringen, für die eigentliche Marketing-Aktion". Mit Letzterem meint er die Attentate im Zentrum von Oslo und auf der Ferieninsel Utøya.
Anders Behring Breivik ist kein wahnsinniger, eloquenter Intellektueller. Keine belesene Serienmörderkunstfigur wie Hannibal Lecter aus dem "Schweigen der Lämmer" oder Dexter aus der gleichnamigen Serie, die Breivik wohl schätzte. Kein Aleister Crowley. Sein Konvolut ist nicht die Autobiografie eines gebildeten Wahnsinnigen, in der sich Antworten auf die Frage finden ließe, wie jemand dazu kommt, ein solches Massaker zu veranstalten. Die Lektüre seines Manifests gewährt keinen spektakulären Einblick in eine kranke Seele.
Das Buch ist kein originäres Werk, sondern eine wahnsinnige Copy-&-Paste-Arbeit, die größtenteils aus Artikeln und Essays besteht, die der Autor aus diversen "patriotischen", "nationalen" und gerne auch "konservativen" Blogs heruntergeladen hat. In vielen Passagen erinnert es an die Beiträge auf islamfeindlichen Websites wie "Politically Incorrect".
Man spürt, da schreibt jemand, der als Intellektueller wahrgenommen werden will, selber keine Primärtexte gelesen hat und das auch nicht als Mangel empfindet. Man liest die Passagen über Autoren und Themen, die man selber studiert hat, über die Frankfurter Schule, Dekonstruktivismus, Derrida und fühlt sich dabei unsittlich berührt. Länger als eine Stunde hielt ich es nicht aus, darin zu lesen.
Das Buch ist komplett irre. Beim Lesen fühlt man sich so ähnlich, wie wenn man irgendwelchen Verschwörungstheoretikern auf YouTube zuhört: Anfangs denkt man, der ist ja auch gebildet, und plötzlich schreckt man auf, weil man merkt, dass alles völlig wahnhaft ist. Manchmal liest es sich auch wie die Magisterarbeit eines überambitionierten Literaturwissenschaftsstudenten. Wenig verwunderlich, ist der Text zugleich unerträglich langweilig. Ein manisch zusammengeschustertes Plagiat.
26 Jul 2011
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