taz.de -- Rebellen in Libyen: Pläne für Tag X
Die Aufständischen in Libyen rücken Stück für Stück auf Tripolis vor. Klar wird auch, wie sie die Stadt einnehmen möchten und was sie für die Zeit danach planen.
BERLIN taz | Der Nationale Übergangsrat in Bengasi hat am Montag einen Appell an die Bevölkerung in den von Muammar al-Gaddafi kontrollierten Gebieten veröffentlicht. Diese wird aufgefordert, sich in "lokalen Gemeinschaften" zu organisieren, um die Sicherheit im Vorfeld des Sturzes des Regimes aufrechtzuerhalten und das Bewusstsein dafür zu schärfen, öffentliches Eigentum zu schützen."
In den vergangenen Tagen konnten die Rebellen den größten Landgewinn seit Monaten erzielen und rücken immer näher an die Hauptstadt Tripolis heran. Schon seit geraumer Zeit gibt es im Übergangsrat Überlegungen, wie ein Sturz von Gaddafi zu bewerkstelligen sei sowie eine Planung für die Zeit danach.
In einem 70-seitigen Strategiepapier, über das die Londoner Times in der vergangenen Woche berichtete, gehen die Aufständischen davon aus, dass ein militärischer Sieg über Gaddafi oder sein Tod bei einem Luftangriff der Nato eher unwahrscheinlich sei. Stattdessen hoffen sie - entgegen ihren öffentlichen Erklärungen - auf einen inneren Putsch oder einen Zerfall des Regimes.
Ein größerer militärischer Druck seitens der Rebellen und der Nato könnte einen solchen Prozess beschleunigen und Mitarbeiter des Regimes dazu bewegen, sich abzusetzen.
5.000 Polizisten
Das Papier, dessen Echtheit ein Mitglied des Übergangsrats der Times mit dem Hinweis bestätigte, es gebe inzwischen eine neuere Fassung, beschäftigt sich auch mit der Situation in Tripolis nach dem Tag X. Um den Eindruck in der Bevölkerung zu vermeiden, es fände eine Invasion aus dem Osten des Landes statt, sollen Kämpfer aus den Nafusa-Bergen und der Region um Gharjan in Tripolis einrücken.
Außerdem gibt es eine "Tripolis-Brigade", deren Mitglieder entweder in der Hauptstadt geboren sind oder dort Familienangehörige haben. Wie die Nachrichtenagentur AP berichtet, wurde diese 475 Mann starke Truppe in Bengasi aufgestellt, in den vergangenen beiden Monaten aber zum großen Teil in den Westen verlegt.
Zu den Überlegungen gehört dem Papier zufolge der Vorschlag, eine 10.000 bis 15.000 Personen starke Truppe zu bilden, die für die Sicherheit in Tripolis sorgen und führende Funktionäre des Regimes festnehmen soll. Außerdem will der Übergangsrat bereits 800 Personen aus Gaddafis Sicherheitsapparaten rekrutiert haben.
Schließlich will man offenbar etwa 5.000 Polizisten, die derzeit noch im Dienste des Regimes stehen, aber in ideologisch weniger eng eingebunden Bereichen tätig sind, umgehend in die Einheiten der Interimsregierung einbinden. Damit soll ein Sicherheitsvakuum nach dem Tag X vermieden werden. Nach Angaben der Times haben Vertreter Großbritanniens und anderer westlicher Regierung an der Erarbeitung des Papiers mitgewirkt.
16 Aug 2011
AUTOREN
ARTIKEL ZUM THEMA
Die Anti-Gaddafi-Rebellen haben bei blutigen Kämpfen Teile der Hauptstadt Tripolis unter ihre Kontrolle gebracht. Nun wird spekuliert, Gaddafi sei auf der Flucht Richtung Algerien.
Elf deutsche Soldaten helfen der Nato bei der Auswahl von Zielen für Luftangriffe in Libyen. Nun wird heiß dikutiert, ob die deutsche Beteiligung verfassungswidrig ist.
Aufständische aus dem afrikanischen Toubou-Volk haben eine Stadt nahe des Tschad erobert. Sie sind eine der nichtarabischen und diskriminierten Minderheiten Libyens.
Einem Zeitungsbericht zufolge ist der libysche Machthaber krank und will sich behandeln lassen. Doch Südafrika ist Mitglied des Internationalen Strafgerichtshofs und müsste ihn festnehmen.
Ein guter Aufstand hat ein Ziel und Ideale. Ein schlechter Aufstand hat Opfer und ist sinnlos. Der schlechte Aufstand ändert die Verhältnisse nicht, er zeigt wie sie sind.
Die Nato sollte ihre Kampfhandlungen einstellen, um eine Lösung am Verhandiungstisch zu ermöglichen. Auch gilt es jetzt, auf die Rebellen mäßigend einzuwirken.
Die Rebellen nähern sich Tripolis und Machthaber Gaddafi greift zu drastischen Mitteln: Erstmals ließ er Richtung Brega eine Kurzstreckenrakete abfeuern.