taz.de -- Rebellen in Libyen: Pläne für Tag X

Die Aufständischen in Libyen rücken Stück für Stück auf Tripolis vor. Klar wird auch, wie sie die Stadt einnehmen möchten und was sie für die Zeit danach planen.
Bild: Verplante Stadt: Tripolis am 24. Juli unter Beschuss.

BERLIN taz | Der Nationale Übergangsrat in Bengasi hat am Montag einen Appell an die Bevölkerung in den von Muammar al-Gaddafi kontrollierten Gebieten veröffentlicht. Diese wird aufgefordert, sich in "lokalen Gemeinschaften" zu organisieren, um die Sicherheit im Vorfeld des Sturzes des Regimes aufrechtzuerhalten und das Bewusstsein dafür zu schärfen, öffentliches Eigentum zu schützen."

In den vergangenen Tagen konnten die Rebellen den größten Landgewinn seit Monaten erzielen und rücken immer näher an die Hauptstadt Tripolis heran. Schon seit geraumer Zeit gibt es im Übergangsrat Überlegungen, wie ein Sturz von Gaddafi zu bewerkstelligen sei sowie eine Planung für die Zeit danach.

In einem 70-seitigen Strategiepapier, über das die Londoner Times in der vergangenen Woche berichtete, gehen die Aufständischen davon aus, dass ein militärischer Sieg über Gaddafi oder sein Tod bei einem Luftangriff der Nato eher unwahrscheinlich sei. Stattdessen hoffen sie - entgegen ihren öffentlichen Erklärungen - auf einen inneren Putsch oder einen Zerfall des Regimes.

Ein größerer militärischer Druck seitens der Rebellen und der Nato könnte einen solchen Prozess beschleunigen und Mitarbeiter des Regimes dazu bewegen, sich abzusetzen.

5.000 Polizisten

Das Papier, dessen Echtheit ein Mitglied des Übergangsrats der Times mit dem Hinweis bestätigte, es gebe inzwischen eine neuere Fassung, beschäftigt sich auch mit der Situation in Tripolis nach dem Tag X. Um den Eindruck in der Bevölkerung zu vermeiden, es fände eine Invasion aus dem Osten des Landes statt, sollen Kämpfer aus den Nafusa-Bergen und der Region um Gharjan in Tripolis einrücken.

Außerdem gibt es eine "Tripolis-Brigade", deren Mitglieder entweder in der Hauptstadt geboren sind oder dort Familienangehörige haben. Wie die Nachrichtenagentur AP berichtet, wurde diese 475 Mann starke Truppe in Bengasi aufgestellt, in den vergangenen beiden Monaten aber zum großen Teil in den Westen verlegt.

Zu den Überlegungen gehört dem Papier zufolge der Vorschlag, eine 10.000 bis 15.000 Personen starke Truppe zu bilden, die für die Sicherheit in Tripolis sorgen und führende Funktionäre des Regimes festnehmen soll. Außerdem will der Übergangsrat bereits 800 Personen aus Gaddafis Sicherheitsapparaten rekrutiert haben.

Schließlich will man offenbar etwa 5.000 Polizisten, die derzeit noch im Dienste des Regimes stehen, aber in ideologisch weniger eng eingebunden Bereichen tätig sind, umgehend in die Einheiten der Interimsregierung einbinden. Damit soll ein Sicherheitsvakuum nach dem Tag X vermieden werden. Nach Angaben der Times haben Vertreter Großbritanniens und anderer westlicher Regierung an der Erarbeitung des Papiers mitgewirkt.

16 Aug 2011

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Beate Seel

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