taz.de -- Kretschmann für Abkommen mit der Schweiz: Grünen droht Streit über Steuerflucht
Der Finanzexperte der Grünen im Bundestag will ein Steueramnestie-Abkommen mit der Schweiz verhindern. Dabei droht ihm Gegenwind aus den eigenen Reihen.
GÖTTINGEN taz | Den Grünen droht ein Streit über den Umgang mit dem umstrittenen Steueramnestie-Abkommen zwischen Deutschland und der Schweiz. Anders als die zuständigen Fachpolitiker der Partei will sich der grüne Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, nicht darauf festlegen, das Abkommen im Bundesrat abzulehnen.
"Derzeit werden die Fakten noch geprüft", sagte Kretschmanns Sprecher Arne Braun der taz. Spätestens bis zu einem geplanten Schweiz-Besuch Kretschmanns am kommenden Mittwoch solle eine Entscheidung fallen.
Das Abkommen zwischen Deutschland und der Schweiz, dessen Inhalte Anfang August bekannt geworden waren, sieht vor, dass in der Schweiz angelegtes Schwarzgeld gegen eine einmalige, vergleichsweise geringe Nachversteuerung und eine künftige Abgeltungsteuer legalisiert werden soll. Die Besitzer bleiben dabei weiterhin anonym und können strafrechtlich nicht mehr belangt werden.
Der Finanzexperte der Grünen im Bundestag, der Baden-Württemberger Gerhard Schick, hatte dies als "Freifahrtschein für Schweizer Banken" und als "Schlag ins Gesicht ehrlicher Steuerzahler" bezeichnet. Der EU-Abgeordnete Sven Giegold hatte angekündigt, die Grünen würden sich "dafür einsetzen, dass Bundestag und Bundesrat das Abkommen nicht ratifizieren".
Doch Kretschmann, der zum konservativen Parteiflügel gehört, ignorierte diese eindeutige Haltung. Am vergangenen Freitag sagte er nach Angaben der Agentur Reuters, es sei "grundsätzlich gut", dass es ein Steuerabkommen mit der Schweiz gebe, und man könne es im Bundesrat "nicht groß verändern". Dies dürfte parteiintern für großen Ärger gesorgt haben. Mit offener Kritik an Kretschmann halten sich die Fachpolitiker aber noch zurück. Sie setzen offenbar darauf, dass er sich am Ende doch für eine Ablehnung entscheidet.
Dem Abkommen, das 2013 in Kraft treten soll, muss der Bundesrat zustimmen. Dort haben Union und FDP derzeit keine Mehrheit. Auch die SPD hat Kritik an den Plänen geübt, ihr Abstimmungsverhalten aber offengelassen.
26 Aug 2011
AUTOREN
ARTIKEL ZUM THEMA
Wegen des Abkommen mit der Schweiz droht Deutschland nun ein Vertragsverletzungsverfahren. Die EU-Kommission verlangt Änderungen in dem Vertrag.
Das umstrittene deutsch-schweizerische Steuerabkommen wurde nun vom schwarz-gelben Kabinett gebilligt. Die SPD plant jedoch, es im Bundesrat wieder zu kippen.
Die Schweizer haben ein Frankenproblem. Sie können zwar billig in Deutschland Autos kaufen oder in die USA zum Shoppen fliegen. Doch die Wirtschaft ächzt unter den Folgen.
Ernüchterung bei der Finanzkommission um Fraktionschef Trittin: Wollen die Grünen 2013 regieren, müssen sie sich von lieb gewonnenen Forderungen verabschieden.
Deutschland erwartet Milliarden an Steuereinnahmen auf deutsches Schwarzgeld in der Schweiz. Nur ist sich die Koalition bisher uneins darüber, was mit dem Geld geschehen soll.
Die Schweiz hat mit dem Abkommen ihre Interessen durchgesetzt. Steuerflüchtlinge bleiben unbelangt. Zu hoffen ist, dass die SPD-Finanzminister nicht mitmachen.
Für die einen ist das Steuerabkommen ein "Belohnungspaket für deutsche Steuerkriminelle", für die anderen "ein Beitrag zu mehr Steuergerechtigkeit".