taz.de -- Strahlenalarm in Gorleben: Hunderte demonstrieren am Atomlager

Wegen hoher Strahlenwerte drängen Umweltverbände auf Stopp von Castor-Transporten. Die Grünen werfen Landesregierung "irreführende und falsche" Informationen vor.
Bild: Protest gegen die hohen Strahlenwerte: Ein Traktor blockiert ein Tor am Atomzwischenlager in Gorleben.

GÖTTINGEN taz | "Strahlenalarm" in Gorleben: Mit Treckern, Trommeln und Transparenten haben am Sonntag mehrere hundert Atomkraftgegner am Endlagerbergwerk demonstriert und den Stopp weiterer Castortransporte gefordert. Die Polizei gab die Zahl der Kundgebungsteilnehmer mit rund 400 an, Mitglieder der Bürgerinitiative (BI) Umweltschutz Lüchow-Dannenberg zählten 700 Demonstranten und "mehr als 30 Traktoren".

Die BI hatte am Freitag zu der Demonstration aufgerufen, nachdem die Ergebnisse von Radioaktivitätsmessungen bekannt geworden waren. Danach wurde im Juni an einem Messpunkt am Zaun des Zwischenlagers eine Neutronenstrahlung ermittelt, die einem Jahreswert von 0,27 Millisievert entspricht. Die aktuellen Gammastrahlen-Werte der gleichen Messstelle sind noch nicht ausgewertet.

Neutronen- und Gammastrahlung zusammen dürfen 0,3 Millisievert im Jahr nicht überschreiten. Das Niedersächsische Umweltministerium hat deshalb den Zwischenlager-Betreiber GNS aufgefordert, vor der Einlagerung weiterer Castorbehälter für eine Verringerung der Strahlenbelastung Sorge zu tragen.

Die Grünen-Europaabgeordnete Rebecca Harms hat dem Umweltministerium in Hannover unterdessen "irreführende und falsche" Informationen in der Sache vorgeworfen. So treffe die Behauptung nicht zu, dass innerhalb des Zwischenlagers auch von den Behörden die Luft online gemessen werde.

Das Ministerium war auch mit der Aussage zitiert worden, dass die Grenzwerte für das Zwischenlager Gorleben deutlich schärfer seien als für andere deutsche Atomanlagen. Dort gelte in der Regel ein Jahresgrenzwert von 1,0 statt wie in Gorleben von 0,3 Millisievert. "Hier werden zur Verharmlosung Äpfel mit Birnen verglichen", so Harms. Der Jahresgrenzwert von 1 Millisievert sei aus der Strahlenschutzverordnung und gelte generell für die Bevölkerung. Bei den 0,3 Millisievert handele es sich dagegen um eine in der Genehmigung des Transportbehälterlagers Gorleben festgelegte Obergrenze.

28 Aug 2011

AUTOREN

Reimar Paul

TAGS

Schwerpunkt Atomkraft
Schwerpunkt Atomkraft
Schwerpunkt Atomkraft

ARTIKEL ZUM THEMA

Weniger Strahlung in Gorleben: Castor wahrscheinlicher

Die für das Gesamtjahr prognostizierte Strahlenbelastung ist womöglich geringer als gedacht. Damit sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass der Castortransport abgesagt wird.

Abgeordneten-Blockade in Gorleben: "Von Anfang an gelogen"

Abgeordnete aus mehren Parlamenten wollen eine neue Suche nach einem Atommüllendlager. Auch die Polizeigewerkschaft fordert jetzt den Stopp der Castor-Transporte nach Gorleben.

Atommüll im Wendland: Erhöhte Strahlenwerte in Gorleben

Nahe der Castorhalle im Zwischenlager Gorleben wurde der zulässige Grenzwert fast erreicht. Atomkraftgegner verlangen deshalb ein Verbot weiterer Castortransporte.

Kommentar Atommüll-Endlager: Der Endlager-Kampf steht noch aus

Beim Ausstieg hat sich gezeigt: Schwarz-Gelb tut das Richtige erst, wenn der Druck stark genug ist. Die Gorleben-Gegner sollten wissen, gekämpft wird bis zum Schluss.

Suche nach Endlager für Atommüll: Noch alles offen

Trotz der emsigen Bauarbeiten in Gorleben kommt Bewegung in die Endlagerfrage. Doch die Atomkonzerne haben schon 1,5 Milliarden investiert. Alternativen wollen sie wohl nicht.

Vor dem nächsten Castor-Transport: Erhöhte Strahlung am Gorleben-Zaun

Schon jetzt beträgt der Jahreshalbwert 0,27 Millisievert. Das Innenmisterium in Hannover will den nächsten Castor-Transport dennoch starten lassen;"notfalls mit Tricks", schimpfen die Grünen.

Neue Protestform gegen Atommülllager: Dauerblockade "Gorleben365"

Vom Chorkonzert bis zur Sitzblockade, die Aktionen sollen vielfältig sein. Ziel ist die dauerhafte Störung des Baustellenverkehrs vor dem Atommüllager Gorleben.