taz.de -- Kommentar Japans neuer Premier: Bescheidene "Revolution"
Die versprochene Revolution der Demokratischen Partei ist schwer ins Stocken geraten. Dabei hat Fukushima gezeigt, wie notwendig der Wandel ist.
TOKIO taz | Japans Regierung wechselt lieber ihren Chef aus, als den Wiederaufbau der Tsunami-Gebiete zu beschleunigen und die Folgen des Atomdesasters zu bekämpfen. Die "Reformer" von der Demokratischen Partei (DPJ) stellen sich damit ein Armutszeugnis aus. Denn Yoshihiko Noda ist – nach Yukio Hatoyama und Naoto Kan – in nur zwei Jahren schon der dritte Premier aus ihren Reihen.
Ihre versprochene Revolution – eine Politik fürs Volk statt für die Konzerne und weniger Macht für die Beamten – ist schwer ins Stocken geraten. Dabei hat Fukushima gezeigt, wie notwendig der Wandel ist: Die nuklearfreundlichen Beamten im Handelsministerium sorgten mit ihren Verbündeten beim Stromversorger Tepco für eine intransparente Informationspolitik, um den Ruf von Atomkraft und Atomindustrie so wenig wie möglich zu beschädigen. Dagegen kam die Kan-Regierung trotz eigener unabhängiger Berater nicht an.
In seiner Wahlrede warnte Noda davor, dass die DPJ zu Staub zerfallen wird, wenn ihr in den zwei Jahren bis zur nächsten Unterhauswahl keine Reformen gelingen. Allerdings will er dies mit einem Schwenk weg von der Sozialdemokratie hin zu einem liberalkonservativen Sparkurs erreichen: Erhöhungen etwa der Mehrwertsteuer sollen den Schuldenanstieg begrenzen, Freihandelsverträge mit Asien und Europa das Wachstum ankurbeln. Das eine wird die recht große Zahl der Armen in Japan hart treffen. Das andere gefährdet die Einkommen der Bauern, die im internationalen Vergleich zu teuer produzieren.
Immerhin soll das neu eingeführte Kindergeld bleiben. Aber Überschuldung und Überalterung schränken auch in Japan den Spielraum für soziale Wohltaten ein. Noda steht damit für den Einzug des Realismus in das japanische Reformprojekt, damit es überhaupt am Leben bleibt.
29 Aug 2011
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