taz.de -- Kommentar Italiens Sparpaket: Ein bizarr-chaotisches Theater
Italien wird auch durch drakonisches Sparen kein Vertrauen zurückgewinnen, solange Berlusconi es wie ein Geisterfahrer lenkt. Das kommt dem Land teuer zu stehen.
Italiens Sparpaket ist endgültig durchs Parlament - aber diese Abstimmung ändert nichts daran, dass Ministerpräsident Silvio Berlusconi in den letzten Wochen den letzten Rest an Vertrauen bei seinen europäischen Amtskollegen, "den Märkten" und den eigenen Bürgern verspielt hat.
Staatskanzleien und Spekulanten dürfte die soziale Schieflage des jetzt gebilligten 50-Milliarden-Streichprogramms egal sein. Weniger egal war ihnen jedoch das Zustandekommen des Notstandsplans, das Berlusconi und seine Koalition als bizarr-chaotisches Theater zelebrierten. Die Botschaft, die dabei letztendlich rüberkam, lautet: Der alternde Premier hat die Dinge nicht mehr im Griff - und sie interessieren ihn auch nicht weiter.
Als Berlusconi sich vergangenen Dienstag nach Brüssel und Straßburg aufmachte, um mit den EU-Spitzen zu konferieren, tat er dies nicht etwa, weil ihn ein plötzlicher Sinneswandel ereilt hätte. Im Gegenteil, der Premier suchte bloß einen terminlichen Vorwand, um jenen Staatsanwälten zu entweichen, die ihn just an jenem Tag zu den jüngsten Wendungen seiner Sexskandale vernehmen wollten. Die nämlich halten ihn weiter in Atem; ihnen gilt sein wahres Augenmerk.
"Kommunistische Opposition" und "rote Presse" hätten Italien die Vertrauenskrise beschert, giftete Berlusconi denn auch in Brüssel. Wahr ist das Gegenteil: Solange er das Land wie ein Geisterfahrer lenkt, wird Italien auch durch drakonische Sparprogramme kein Vertrauen zurückgewinnen. Das kommt das Land teuer zu stehen: Der Zinsabstand zu Deutschland bei Anleihen mit 10-jähriger Laufzeit ist auf 4 Prozentpunkte hochgeschnellt. Und das auch, weil das Parlament auf die entscheidende Sparmaßnahme verzichtete: Berlusconi das Misstrauen auszusprechen und so den Weg zu einer international respektierten Regierung freizumachen.
15 Sep 2011
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