taz.de -- Kommentar Piratenpartei - Contra: Demokratie braucht Opposition

Eine Entscheidung gegen das Abgeordnetenhaus wäre eine Schwächung der Opposition und damit einer demokratischen Grundregel.
Bild: Da sind die neuen in ihrem neuen Zuhause.

Keine Frage: Der unmittelbare Gestaltungsspielraum in einem Bezirksparlament ist weitaus größer als von den Reihen der kleinsten Oppositionsbank im Abgeordnetenhaus aus. Als ihr sensationeller Erfolg noch nicht absehbar war, hatte die Piratenpartei Plätze auf Landes- und Bezirkslisten mit identischen Kandidaten besetzt, um die Listen überhaupt füllen zu können. Nun heißt es: Nach der Wahl ist vor der Wahl - Bezirk oder Landesparlament?

So groß der Reiz der Einflussnahme sein mag, eine Entscheidung gegen das Abgeordnetenhaus wäre eine Schwächung der Opposition und damit einer demokratischen Grundregel: Ohne Opposition keine Demokratie! Sie erfüllt grundlegende Aufgaben, sie kritisiert, kontrolliert und bietet inhaltliche Alternativen zur Regierungspolitik. Leere Sitze im Parlament nützen nur einem: dem neuen Senat. Besonders einer rot-grünen Koalition wären verwaiste Plätze in den Reihen der Piraten willkommen, würde ihre knappe Mehrheit plötzlich dann doch deutlich komfortabler ausfallen.

Viele WählerInnen haben sich auch aus Protest für die Piraten entschieden. Weil sie sich von den Etablierten nicht repräsentiert fühlten und ein neues, ein unverbrauchtes Korrektiv verlangten. Knapp 130.000 Zweitstimmen sind ein deutlicher Fingerzeig auf den Wählerwillen.

Entscheiden sich die Piraten für das Abgeordnetenhaus, wird ihnen womöglich vorgeworfen, sich schon bei der ersten Gelegenheit der Verantwortung zu entziehen. Tatsächlich würden die Neulinge aber unter Beweis stellen, dass sie politische Verantwortung langfristig ernst nehmen und ihr die Gunst der Stunde unterordnen.

19 Sep 2011

AUTOREN

Torsten Landsberg

TAGS

Schwerpunkt Wahlen in Berlin
Schwerpunkt Wahlen in Berlin
Schwerpunkt Wahlen in Berlin
Schwerpunkt Wahlen in Berlin

ARTIKEL ZUM THEMA

Piratenpartei im Abgeordnetenhaus: Die Nicht-Repräsentativen

Launige Sprüche, schlabbrige Motto-Shirts und Strickjacken, lange Haare und Fusselbärte. Die gewählten Piraten stellen sich erstmals im Abgeordnetenhaus vor.

Berlin-Wahl Bezirke I: Der wahre Wahlsieger

Triumph und Niederlage liegen für die SPD in Neukölln nah beieinander. Im Bezirk gewinnt die Partei - auf Landesebene sacken die Neuköllner Genossen jedoch ab.

Berlin-Wahl Bezirke II: Grüne in der Rolle der Königsmacher

Trotz prominenter Kandidaten misslingt die direkte Eroberung von Bürgermeisterposten. In Zählgemeinschaften können die Grünen aber an den Machtverhältnissen in den Rathäusern drehen.

Berlin-Wahl Bezirke III: Piraten versenken die SPD

In Friedrichshain-Kreuzberg, dem grünsten Bezirk Berlins, verlieren die Sozialdemokraten. Die Grünen legen trotz der Piraten zu.