taz.de -- Polizeipräsident durchgewinkt: Rot-Schwarz klappt schon
Vor dem Beginn der Koalitionsgespräche zwischen SPD und CDU ist die erste Entscheidung bereits gefallen: Die SPD setzt Udo Hansen durch. Die Union hält still.
Kurz vor den an diesem Mittwoch beginnenden Koalitionsverhandlungen mit der CDU hat die SPD de facto ihren Favoriten Udo Hansen als neuen Polizeipräsidenten durchgesetzt. Offenbar mit Duldung der CDU. Von der Union, die Hansens Auswahl durch Innensenator Ehrhart Körting (SPD) zuvor stark kritisiert hatte, war am Dienstag kein Protest gegen das Vorgehen des möglichen zukünftigen Koalitionspartners zu hören.
Die Innenverwaltung des Senats mochte Gerüchte nicht dementieren, dass Hansen erfolgreich aus dem nachträglich eingeleiteten besonderen Auswahlverfahren hervorgegangen ist und Körting seine Regierungskollegen darüber am Dienstag informierte. Das Verwaltungsgericht hatte im Juli auf eine Beschwerde von Hansens Mitbewerber Klaus Keese hin bemängelt, dass es ein solches Verfahren, das sogenannte Assessment Center, nicht gegeben habe. Keese ist Chef der Polizeidirektion 1 und wurde von der CDU favorisiert. Das Auswahlgremium ist mit externen Fachleuten und Mitarbeitern der Innenverwaltung besetzt. Mindestens die Hälfte seiner Mitglieder hat nach taz-Informationen ein SPD-Parteibuch.
Offiziell betonte Senatssprecher Richard Meng zwar, es habe dazu nur einen Zwischenbericht des Innensenators gegeben. "Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen", sagte Meng. Tatsächlich muss erst noch der unterlegene Bewerber über die Entscheidung informiert werden. Endgültig beamtenrechtlich ernannt ist Hansen zudem erst, wenn er die Ernennungsurkunde überreicht bekommt, was erst 14 Tage später geschehen kann.
Die CDU lehnte eine Stellungnahme mit Verweis auf die Formalie ab. "Es wurde kein Beschluss zur Besetzung der Stelle des Polizeipräsidenten gefasst, es gab lediglich einen Zwischenbericht", äußerte sich Partei- und Fraktionschef Frank Henkel gegenüber der taz. Einen Anlass, dies öffentlich zu kommentieren, "sehe ich deshalb nicht". Henkel wäre in einer rot-schwarzen Koalition ein möglicher Innensenator und müsste dann eng mit einem von der SPD ausgesuchten Polizeichef mit SPD-Parteibuch zusammenarbeiten.
Die CDU hatte Hansen zuvor mehrfach für dieses Amt abgelehnt. Zuletzt sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Cornelia Seibeld, die in den Koalitionsverhandlungen für Inneres und Justiz zuständig ist, der Nachrichtenagentur dpa: "Wir können schlecht mit Hansen leben, die SPD kann schlecht mit Keese leben." Seibeld sagte, sie würde es als "unfreundlichen Akt" der SPD werten, wenn sie vor einer Einigung allein darüber entscheiden würde. "Das würde die Koalitionsverhandlungen deutlich belasten."
Schon im Juni hatte der innenpolitische Sprecher Robbin Juhnke gesagt, die Auswahl von Hansen sei "eher auf parteipolitische Gründe zurückzuführen", weil Hansen SPD-Mitglied sei. Er sah deshalb "einen weiteren eklatanten Fall von Filz". Am Dienstag war es der CDU merklich unangenehm, dass Seibeld sich so weit aus dem Fenster gelehnt hatte. Nach taz-Informationen war die CDU-Spitze vorab von der SPD über die Personalie Hansen informiert und von einer Duldung überzeugt worden.
Innensenator Körting hatte seinen Favoriten Hansen auch nach der Schlappe im Juli am Verwaltungsgericht verteidigt: Er halte ihn für hochqualifiziert. Dass die De-facto-Entscheidung für Hansen genau einen Tag vor Beginn der rot-schwarzen Gespräche bekannt wurde, erinnert an den Auftakt der Koalitionsgespräche zwischen SPD und Grünen vor einer Woche: Ausgerechnet für den Tag vor diesen Verhandlungen war das Assessment Center angesetzt.
11 Oct 2011
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